Als ich mit der Recherche zum Rentensystem der Schweiz anfing, bekam ich den Eindruck, dass es sich um ein sehr solides Konstrukt handelt, das dem deutschen System ähnelt, aber besser funktioniert. Das Solidaritätsprinzip ist in zwei von drei Säulen, auf denen das System fußt, sehr dominant. Gleichzeitig soll jede Rentnerin und jeder Rentner einen angemessenen Lebensstandard haben. Die wirtschaftliche Sicherheit im Alter steht sogar in der >Verfassung.
Grund genug, um einen genaueren Blick auf das System und die einzelnen Bausteine zu werfen. Und siehe da: auch die Schweiz hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die meisten anderen Staaten auch. Der demografische Wandel, die niedrigen Zinsen der letzten Jahre und hohe Kosten für private Absicherung sind Gegenstand von Reformvorschlägen und -vorhaben. Ist das System doch nicht so solide?
Inhaltsverzeichnis
Die 3 Säulen des Rentensystems der Schweiz
Ähnlich dem Schichtenmodell im deutschen Rentensystem baut das schweizerische auf drei Säulen, die zum Ziel haben, einen möglichst hohen Lebensstandard im Alter zu garantieren.
• Gesetzliche Rente (AHV)
• Betriebsrente (BVG)
• private Vorsorge
Die Gesetzliche Rente – Solidarität ist das Wichtigste
Die Gesetzliche Rente in der Schweiz ist wie in Deutschland als Umlagesystem konzipiert. Die aktuell erwerbstätige Bevölkerung erwirtschaftet die Beiträge, die an die Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt werden. Und wie wir sehen werden, führt dies zu ähnlichen Problemen wie in Deutschland. Aber zunächst der Reihe nach.
Die erste Säule des Rentensystems wird durch die AHV getragen – die Alters- und Hinterbliebenenversicherung. Wer in der Schweiz lebt oder erwerbstätig ist, ist darüber versichert – ähnlich wie in >Schweden und >Österreich.
Das heißt, neben Angestellten sind auch Selbständige, Beamte und nicht Erwerbstätige dazu verpflichtet, in die Versicherung einzuzahlen. Diese Pflicht beginnt mit Vollendung des 20. Lebensjahres.
Personen, die nicht erwerbstätig sind (Studierende, Frührentner) müssen einen jährlichen Mindestbeitrag von >514 Schweizer Franken (CHF) einzahlen (Stand 2023). Angestellte und ihre Arbeitgeber zahlen jeweils 4,35 Prozent des Bruttolohns ein. Dabei wird der gesamte Lohn herangezogen. Es gibt also weder eine Mindest- noch eine Beitragsbemessungsgrenze.
Selbständige übernehmen allein den kompletten Beitragssatz bis maximal 8,1 Prozent. Wer weniger als >58.800 CHF im Jahr verdient, zahlt je nach Höhe des Einkommens weniger ein.
In dieser ersten Säule ist der solidarische Gedanke am stärksten ausgeprägt. Die gesamte Gemeinschaft zahlt Beiträge auf ihr komplettes Einkommen und wie wir später sehen werden, gibt es sowohl Mindest- als auch Maximalrenten.
Renteneintritt
Das Regeleintrittsalter in der Schweiz beträgt 65 Jahre für Männer und 64 Jahre für Frauen. Beide Gruppen können jeweils ein oder zwei Jahre vorzeitig in den Ruhestand gehen – einzelne Monate früher sind nicht möglich. Pro vorgezogenem Jahr wird die Rente um >6,8 Prozent gekürzt.
Der Renteneintritt kann aber auch aufgeschoben werden. Maximal 5 Jahre Aufschub sind möglich und mit Aufschlägen zur regulären Rente verbunden. Je länger der Eintritt aufgeschoben wird, desto höher ist der prozentuale Zuschlag – bis zu 31,5 Prozent sind möglich.
Wie hoch ist die Rente in der Schweiz?
Wer als Mann mindestens 44 Jahre und als Frau mindestens 43 Jahre in die Gesetzliche Rente eingezahlt hat, hat Anspruch auf den >vollen Rentensatz. Dieser beträgt mindestens 1.225 CHF und maximal 2.450 CHF. Ehepaare erhalten insgesamt maximal 150 Prozent der höchsten Einzelrenten, also 3.675 CHF.
Grundlage für die Berechnung der Rentenhöhen sind die Beitragsdauer, das durchschnittliche Erwerbseinkommen, das mit dem sogenannten maßgebenden Faktor aufgewertet wird, und dem Durchschnitt der Erziehungsgutschriften. Daraus ergibt sich das durchschnittliche Jahreseinkommen, welches in die entsprechende Rentenhöhe umgerechnet wird. Einer regelmäßig veröffentlichten >Skala kann man die genauen Beträge entnehmen.
Um den maximalen Rentensatz zu erhalten, muss eine Frau zum Beispiel 43 Jahre eingezahlt und ein durchschnittliches Jahreseinkommen von mindestens 88.200 CHF verdient haben.
Die Rentenhöhe muss laut Gesetz alle 2 Jahre überprüft werden. Als Rechnungsgrundlage für Erhöhungen dient ein Mischindex, der sich aus Preisteuerungen und Lohnsteigerungen zusammensetzt. Wenn die Lohnsteigerungen unterhalb der Inflation liegen, bedeutet dies, dass die folgende Rentenerhöhung den Anstieg des Preisniveaus nicht ausgleichen kann.
Ergänzungsleistungen statt Grundrente
Eine Grundrente gibt es in der Schweiz nicht. Da auch nicht Erwerbstätige in die Altersversicherung einzahlen müssen, haben sie Anspruch auf den Mindestrentensatz von 1.225 CHF, allerdings nur bei voller Beitragsdauer.
Dennoch kann es vorkommen, dass Rentnerinnen und Rentner ihre minimalen Lebenskosten nicht mit ihren Renteneinnahmen stemmen können. Hier sieht das Rentensystem der Schweiz die sogenannten Ergänzungsleistungen vor. Diese Leistungen beinhalten jährliche Geldleistungen und die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten. Berechnet werden sie als Differenz zwischen anerkannten Ausgaben und Einnahmen. Vermögen bis 100.000 CHF werden nicht berücksichtigt, ebenso Immobilien, die in Eigenbenutzung sind.
2021 erhielten >12,5 Prozent derer, die eine Altersrente erhielten, Ergänzungsleistungen von durchschnittlich 1.127 CHF.
Die BVG-Rente
Die betriebliche Altersvorsorge der Schweiz funktioniert ähnlich wie die deutsche. Es handelt sich hier um ein Kapitaldeckungsverfahren, das für den Großteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Pflicht ist. Allerdings ist sie etwas komplizierter aufgebaut als in Deutschland.
Geregelt wird diese zweite Säule im Bundesgesetz über die betriebliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG). Es geht hier also nicht nur um Einkommen im Ruhestand, sondern auch um Absicherung im Todesfall oder bei Krankheiten und Unfällen.
Alle Arbeitnehmer, die mindestens >22.050 CHF und maximal 88.200 CHF verdienen, sind durch das BVG pflichtversichert. Die Lohn abhängigen Einzahlungen sind nach Altersgruppen gestaffelt und werden mindestens zur Hälfte vom Arbeitgeber eingezahlt. Die vom Lohn abhängige Staffelung sieht folgendermaßen aus:
• für 25 bis 34-Jährige werden insgesamt 7 Prozent des Bruttolohns eingezahlt
• für 35 bis 44-Jährige 10 Prozent
• für 45 bis 54-Jährige 15 Prozent
• und für 55 bis 64-Jährige/65-Jährige 18 Prozent
Mitarbeiter unter 25 Jahren sind zwar über die betriebliche Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge abgesichert, sparen aber noch keine Altersguthaben an.
An dieser Staffelung gibt es Kritik. Durch den höheren Einzahlungssatz für ältere Mitarbeiter sind diese >„teurer“ für Unternehmen. Das kann zur Folge haben, dass sie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr weiterbeschäftigt werden. Oder dass neue Stellen bevorzugt mit jüngeren Bewerbern besetzt wird. Eine Abflachung der Staffelung würde dem entgegenwirken.
Die Guthaben werden auf individuellen Konten bei sogenannten Vorsorgeeinrichtungen beziehungsweise Pensionskassen verwahrt. Arbeitgeber haben die Möglichkeit, selbst eine solche Einrichtung zu gründen oder sich einer anzuschließen. Es gibt 3 Arten von Pensionskassen, die sich hinsichtlich der Risikotragung unterscheiden. Das heißt, es gibt Einrichtungen, die Auszahlungen für Alter, Tod und Invalidität komplett durch eine Versicherungsgesellschaft rückversichern. Dann gibt es Einrichtungen, die dies nur teilweise machen oder gar nicht.
Die Ansparphase
Da es sich hier um ein Kapitaldeckungsverfahren handelt, soll sichergestellt werden, dass der Wert der Guthaben stabil bleibt beziehungsweise nicht zu stark sinkt (angesichts der Inflation). Das Gesetz sieht dazu vor, dass die Vorsorgeeinrichtungen auf die Pflichteinzahlungen mindestens 1 Prozent Zinsen zahlen, die dem jeweiligen Konto gutgeschrieben werden. Diese Verzinsung soll alle 2 Jahre überprüft und entsprechend der Entwicklungen am Kapitalmarkt angepasst werden.
Die Pensionskassen stehen damit vor ähnlichen Herausforderungen wie Lebensversicherungen in Deutschland. Die Vorsorgeeinrichtungen in der Schweiz müssen diese Zinsen garantieren. Die Höhe orientiert sich an den Zinsen für Schweizer Staatsanleihen (Bundesobligationen), aber auch an Aktien, Anleihen und Liegenschaften. Die Negativzinsen der vergangenen Jahre hielten auch den Garantiezins auf einem niedrigen Niveau. Dennoch hat sich die Regierung >gegen eine Erhöhung des Mindestzins ausgesprochen, obwohl die Zinsen 2022 stetig stiegen.
Die Auszahlung
Aus dem gesamten angesparten Kapital wird zum Renteneintritt die Rentenhöhe berechnet. Dazu wird die Gutschrift auf dem Alterskonto mit einem Umwandlungssatz multipliziert. 2022 lag dieser Satz bei 6,8 Prozent. Das bedeutet, wenn jemand 100.000 CHF auf dem Konto angespart hat, werden davon 6,8 Prozent (6.800 CHF) pro Jahr an Rente ausgezahlt. Je nach Pensionskasse haben Arbeitnehmer, die in den Ruhestand gehen, die Wahl, ob sie sich das Kapital ganz oder teilweise sofort auszahlen lassen möchten.
Das Guthaben wird erstmalig zum Renteneintritt mit 65 beziehungsweise 64 Jahren ausgezahlt. Eine Auszahlung ist frühestens ab 58 Jahren möglich, dann allerdings mit Abschlägen. Wer plant, Wohneigentum zur Selbstnutzung zu erwerben oder in die Selbständigkeit zu gehen, kann ebenfalls auf dieses >Rücklagenkonto zugreifen.
Selbständige und Personen, die außerhalb der Beitragsbemessungsgrenzen liegen, können sich freiwillig versichern lassen. Auf die Mindestverzinsung haben sie dann kein Anrecht. Diese erhalten sie nur in staatlichen Vorsorgeeinrichtungen wie der Stiftung Auffangeinrichtung, die als Sammelbecken für alle gilt. Bei vielen privaten Pensionskassen liegt der Durchschnittszins allerdings >teilweise weit über dem Mindestzins.
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Was ist ein Freizügigkeitskonto?
Wer ein Unternehmen verlässt, hat keinen Anspruch mehr auf ein Alterskonto bei der Vorsorgeeinrichtung des Arbeitgebers. Allerdings darf das angesparte Geld nicht einfach ausgezahlt werden. Laut Gesetz muss es im System der beruflichen Vorsorge bleiben. Daher sieht die Regelung vor, dass das Guthaben auf ein sogenanntes Freizügigkeitskonto transferiert wird. Jeder ausscheidende Arbeitnehmer kann bei einer beliebigen Bank ein solches Konto eröffnen. Kümmert man sich nicht selbst darum, wird das Geld automatisch auf ein Konto bei der Stiftung Auffangeinrichtung überwiesen.
Das Geld bleibt so lange auf dem Freizügigkeitskonto bis man einen neuen Arbeitgeber findet oder sich pensionieren lässt. Im Gegensatz zu den Alterskonten bei den Pensionskassen, kann man bei einem Freizügigkeitskonto selbst bestimmen, in welche Anlagen es investiert werden soll.
Auch wer die Schweiz dauerhaft verlässt und >in ein EU-Land auswandert oder zurückgeht, muss ein Freizügigkeitskonto in der Schweiz eröffnen.
Dort werden alle Pflichtzahlungen im Rahmen des BVG eingezahlt. Darüber hinausgehende freiwillige Zahlungen dürfen ausgezahlt werden. Erst mit der Pensionierung erhält man wieder Zugriff auf das Guthaben.
Wie hoch ist das Rentenniveau?
Das schweizerische Sozialsystem verspricht, dass ein Rentner >60 Prozent seines letzten Lohns im Alter zur Verfügung hat. Dafür sollen die Einzahlungen in die erste und zweite Säule sorgen. Die dritte sorgt für einen noch höheren Lebensstandard. Das tatsächliche Rentenniveau für die Pflichteinzahlungen (also für die gesetzliche und die betriebliche Rente) liegt jedoch bei >54,8 Prozent und damit nur ein wenig höher als in Deutschland mit 52,9 Prozent.
Privat vorzusorgen, ist auch in der Schweiz notwendig.
Die Private Altersvorsorge – Eigenverantwortung statt Solidarität
Während Gesetzliche und Betriebsrente 60 Prozent des letzten Einkommens absichern sollen, dient die dritte Säule im Rentensystem der Schweiz der Sicherung eines möglichst hohen Lebensstandards im Alter. Dieser Bereich gliedert sich in die >gebundene (3a) und die ungebundene (3b) Vorsorge, die sich vor allem in Sachen Einzahlungs- und Auszahlungsbedingungen sowie Steuern unterscheiden.
Die Säule 3a
Die gebundene Vorsorge kann jeder nutzen, der auch in der AHV versichert ist (also Angestellte, Selbständige, Erwerbslose). Diejenigen, die gleichzeitig in die zweite Säule einzahlen, dürfen pro Jahr maximal 7.056 CHF einzahlen. Alle anderen können bis 20 Prozent ihres Einkommens bis maximal 35.280 CHF einzahlen.
Die Einzahlungsbeträge werden vom Bruttolohn abgezogen, sodass die Steuerbelastung sinkt. Bei der Auszahlung gilt, dass die angesparte Summe komplett ausgezahlt und dann mit der Einkommenssteuer versteuert wird. Während der Ansparphase ist eine Entnahme nicht möglich. Frühestens 5 Jahre vor dem Regelrenteneintritt kann das Geld entnommen werden. Ausnahmen gibt es auch hier. Man kann das Geld zum Beispiel für das Begleichen einer Hypothek nutzen.
Im Rahmen der gebundenen Vorsorge hat man die Wahl, sein Geld einer Bank oder einer Versicherung anzuvertrauen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.
Bei einer Bank kann man sich dafür entscheiden, das Geld auf ein Sparkonto zu legen. Die Zinsen hierfür sind höher als die auf normalen Sparkonten. Oder man legt das Geld in Fonds an. Vorgaben zur Häufigkeit oder Höhe einzelner Einzahlungen gibt es hier nicht. Bei Versicherungen dagegen schon. Hier wird ein Vertrag geschlossen, der die Höhe der Beitragsprämien festlegt. Auch hier werden unterschiedliche Produkte angeboten. Neben Fondspolicen und Sparpolicen mit festem Zins gibt es auch Risikolebensversicherungen.
Ein Vorteil dieses Angebots ist die steuerliche Entlastung durch den Abzug der Beiträge vom Bruttolohn.
Auf der anderen Seite sind Bank- und Versicherungsprodukte meist mit zusätzlichen Kosten verbunden (Verwaltungsgebühren, Abschlusskosten) und die Produktpalette kann sehr eingeschränkt sein. Manche >Banken bieten nur Hauseigene Fonds an oder sind intransparent, was die Auswahl der Anlagemöglichkeiten angeht.
Hinzu kommt, dass zur Auszahlung die gesamte Summe entnommen und versteuert werden muss. Daher wird empfohlen, bei mehreren Institutionen Konten zu führen, die nicht alle im gleichen Jahr aufgelöst werden müssen. Denn bei der Einkommenssteuer kommt genauso wie in Deutschland die Progression zum Einsatz. Je höher mein Einkommen ist, desto höher ist auch mein Steuersatz.
Die Säule 3b
Die ungebundene Vorsorge im Rahmen der dritten Säule bietet dagegen mehr Flexibilität, profitiert jedoch nicht von den gleichen steuerlichen Vorteilen. Die Einzahlungen folgen vom versteuerten Einkommen und können nur eingeschränkt abgesetzt werden.
Die Auszahlung inklusive Erträge wird dagegen nicht versteuert, wenn bestimmte gesetzliche Regelungen eingehalten werden.
Der Vertrag muss zum Beispiel mindestens 5 Jahre laufen und darf nicht vor dem 60. Lebensjahr ausgezahlt werden.
Hier kann ebenfalls Geld bei Banken oder Versicherungen angelegt werden. Einen Maximalbetrag gibt es nicht und Entnahmen können jederzeit vorgenommen werden.
Steuerliche Vorteile gibt es auch im Rahmen bestimmter Versicherungsverträge. Die Kapitalerträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung sind unter bestimmten Bedingungen >steuerfrei. Allerdings kennt die Schweiz die Vermögenssteuer, die auf kantonaler Ebene erhoben und zum Beispiel auch auf Rückkaufswerte von Lebensversicherungen berechnet wird.
Ansonsten gilt auch hier, dass durch Versicherungsmäntel und fertige Produktlösungen zusätzliche Kosten entstehen. Allerdings kann man sein Geld auch einfach nehmen und selbst anlegen, denn gesetzliche Bestimmung gibt es für diesen Bereich nicht.
Renteneinkommen und Steuern
In der Schweiz werden laufende Renten zu 100 Prozent als Einkommen versteuert. Wer vorzeitig in Rente geht, muss zudem noch AHV-Beiträge bis zum Regelrenteneintritt leisten.
In der zweiten Säule hat man die Wahl, sich das angesparte Guthaben ganz oder teilweise als Einmalbetrag auszahlen zu lassen. Bei der gebundenen Vorsorge der dritten Säule ist eine Rentenzahlung überhaupt nicht vorgesehen. Das Guthaben wird komplett ausgezahlt. Auf diese Kapitalauszahlungen werden auch >Steuern gezahlt, die jedoch niedriger sind als die auf Renten. Die Sätze dafür legt jedes Kanton selbst fest, viele sind auch progressiv gestaltet, sodass empfohlen wird, die Kapitalauszahlungen auf mehrere Steuerperioden zu verteilen.
Rentenreformbedarf
So stabil und solide wie das Rentensystem der Schweiz im ersten Moment erscheint, ist es doch nicht. Auch hier macht sich der demografische Wandel bemerkbar. Die steigende Lebenserwartung wird zur Belastung für das Rentensystem, vor allem für die erste und zweite Säule. Beide sind als Versicherungskollektive aufgebaut, innerhalb derer permanent umverteilt wird. Altersrenten müssen immer länger ausgezahlt werden und die geburtenstarken Jahrgänge gehen nach und nach in Pension. Immer weniger Beitragszahler finanzieren immer mehr Rentner. Das führt zu Reformdruck.
Die Reform 2022
In die AHV zahlen zwar fast alle ein und es wird das komplette Einkommen angerechnet. Dennoch sind die Beitragssätze gering und auch mit einer Querfinanzierung über die Mehrwertsteuer wurde für die gesetzliche Rentenkasse ab dem Jahre 2032 ein Defizit in Höhe von über >4,5 Milliarden CHF berechnet, welches auch danach weiter wachsen wird.
Daher gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Reformanstöße, um dieses Defizit zu verhindern. Zuletzt im September 2022 als es eine Volksabstimmung dazu gab. Im Mittelpunkt standen >zwei Themen:
• das Renteneintrittsalter
• und die Mehrwertsteuer
Das Renteneintrittsalter für Frauen wird von 64 auf 65 Jahre angehoben. Bis 2024 ist eine Übergangszeit geplant und auch danach wird es für die Übergangsgenerationen Ausgleichszahlungen geben, sodass sich ein Effekt für die Rentenkasse erst sehr viel später bemerkbar machen wird. Zugleich wird das Renteneintrittsalter flexibler gestaltet. Es ist möglich, bereits ab 63 Jahren in Rente zu gehen oder die Rente bis maximal 70 Jahre aufzuschieben.
Von der bisherigen Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent gingen 1 Prozent in die Finanzierung der gesetzlichen Renten ein. Dieser Satz wird um 0,4 Prozentpunkte erhöht, sodass die Mehrwertsteuer auf 8,1 Prozent steigt. Diese Erhöhung soll das Defizit der Kasse bis 2032 ausgleichen.
Weitere Reformvorhaben
Auch für die zweite Säule gibt es Reformvorhaben, die jedoch noch nicht umgesetzt sind. Im Zentrum steht der Umwandlungssatz.
Hier müssen die Pensionskassen aufgrund der höheren Lebenserwartung immer höhere Summen auszahlen. Dies wird über laufende Einnahmen – vor allem aus Einzahlungen jenseits der Pflichteinzahlungen – finanziert. Grund dafür sind die dauerhaft niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre. Diese drücken die Rendite der Pensionskassen und damit auch die Verzinsung der Altersguthaben. Etwaige Performanceüberschüsse werden genutzt, um Schwankungsreserven für schlechte Börsenjahre aufzustocken und die jährlichen Verwaltungskosten zu stemmen.
Der Umwandlungszinssatz von 6,8 Prozent, der die Höhe der individuellen Rentenauszahlung bestimmt, orientiert sich ebenfalls am Zinsniveau. Hier wird ein technischer Zinssatz von 4 Prozent unterlegt, den die Pensionskassen erst einmal erwirtschaften müssen.
Allein mit risikoarmen Anlagen war dies in den vergangenen Jahren nicht möglich. Stattdessen müssten sie >mehr Risiko eingehen, was angesichts der vielen Garantieleistungen schwierig ist.
Wenn die Renditen der Pensionskassen sinken und die Lebenserwartung steigt, muss auch der Umwandlungszinssatz sinken. Sonst geraten die Kassen weiter unter Druck. Dies könnte Defizite oder den Anstieg vorhandener Defizite zur Folge haben. Das ließe sich nur durch Umverteilung der Einnahmen ausgleichen oder eben durch eine Senkung des Umwandlungszinssatzes.
Dies wird auch seit langem gefordert. Ein >Reformvorhaben zur Altersvorsorge in 2020 schlug bereits die Senkung des Satzes auf 6 Prozent vor. Die wurde zwar bei einer Volksabstimmung abgelehnt, taucht in neueren Reformvorschlägen aber weiter auf. Andere fordern sogar eine Senkung auf >5 Prozent.
Individuelle Honorarberatung anfragen: Gibt dir einen klaren Plan an die Hand, um das Beste aus deinem Einkommen zu machen.
Resümee: Solidarisch & solide finanziert? Ja, aber…
Insgesamt ist das Rentensystem der Schweiz aktuell solide aufgestellt und funktioniert. Doch die steigende Lebenserwartung, der Rentenantritt geburtenstarker Jahrgänge und die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre untergraben dieses Fundament und erfordern Reformen.
Die erste Säule hat den Vorteil, dass alle einzahlen, Beitragsbemessungsgrenzen wegfallen und Mindestrenten gezahlt werden. Der solidarische Gedanke macht sich hier besonders bemerkbar.
Dennoch entstehen Defizite in den öffentlichen Kassen. Die Beitragssätze haben sich in den letzten 50 Jahren nur minimal erhöht und viele Reformvorhaben sind an der Volksabstimmung gescheitert.
Automatische Regelungen, die beispielsweise das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln gibt es nicht. Per Gesetz wurde aber festgelegt, dass die Eckdaten der gesetzlichen Altersvorsorge alle zwei Jahre überprüft werden sollen.
Auch die zweite Säule, die die Betriebsrenten betrifft, ist von Solidarität geprägt. Jeder Arbeitnehmer erhält zwar ein individuelles Alterskonto, doch die tatsächlichen Einzahlungen landen in einem großen Topf der Pensionskassen, wo sie verwaltet und wieder verteilt werden. Für Einzahlungen oberhalb der Pflichtbeiträge gibt es keine gesetzlichen Mindestumwandlungssätze oder -verzinsungen. Davon profitiert die ganze Versicherungsgemeinschaft.
Da das BVG auch Absicherungen gegen Invalidität und Renten für Hinterlassene vorsieht, finden auch hier Umverteilungen statt. Das Vermögen von Personen, die keine Hinterlassenen haben, geht in das Vermögen der Versichertengemeinschaft ein.
Doch auch hier kommt es zu einem Ungleichgewicht von Einzahlungen und Auszahlungen. Hinzu kommen die niedrigen Zinsen der letzten Jahre, die die Renditen der Pensionskassen gedrückt haben.
In der dritten Säule steht die Eigenverantwortung im Mittelpunkt. Steuerliche Anreize und höhere Guthabenverzinsungen sollen dazu bewegen, sich freiwillig und zusätzlich für das Alter abzusichern. Sollten Reformen die ersten beiden Säulen nicht stärken können, wird diese Säule immer wichtiger werden.
Dass die gebundene Vorsorge jedoch nur über Banken oder Versicherungen möglich ist, sehe ich nicht unbedingt als vorteilhaft an. Auch diese Institutionen waren vom Niedrigzins betroffen. Zugleich spielen hier Abschluss-, Verwaltungs- und sonstige Gebühren eine große Rolle und drücken die Rendite der Kunden.
Die Schweiz sorgt gut für Ihre Rentnerinnen und Rentner, doch auch hier besteht Verbesserungsbedarf. Und dieser sollte nicht unterschätzt werden.