Das Jahresende steht vor der Tür, und während viele von uns in Festtagsstimmung kommen, passierte um diese Zeit in der Vergangenheit etwas Interessantes an den Kapitalmärkten: die Kurse stiegen häufig unverhältnismäßig stark. Dieses Phänomen ist bekannt als der Weihnachtseffekt oder Santa-Claus-Rallye. Doch was genau steckt hinter dieser und anderen Marktanomalien, und warum gibt es manche Anomalien noch immer und andere nicht? Das schauen wir uns genauer an.
Inhaltsverzeichnis
Was ist der Weihnachtseffekt?
Der Weihnachtseffekt beschreibt die Tendenz, dass Aktienkurse in den letzten Handelstagen des Dezembers unverhältnismäßig stark ansteigen. Diese Phase beginnt um die Weihnachtsfeiertage herum und zieht sich bis in die ersten zwei Tage des Januars. Dieser Effekt wurde vor allem auf dem US-amerikanischen Aktienmarkt beobachtet.
Abgrenzen müssen wir diesen Effekt von dem Januareffekt. Dieser besagt, dass im ersten Monat des Jahres die Aktienpreise überdurchschnittlich steigen. Weiter unten schauen wir uns das noch etwas genauer an.
Wer entdeckte den Weihnachtseffekt?
Dieses Phänomen wurde erstmals von Yale Hirsch in den 1970er Jahren beobachtet, der es als Teil seines „Stock Trader’s Almanac“ dokumentierte. Hirsch analysierte Börsendaten seit den 1950er Jahren, um Muster und wiederkehrende Trends zu erkennen. Während seiner Untersuchungen fiel ihm auf, dass in diesem spezifischen Zeitraum, also um die Feiertage, eine konsistente Kurssteigerung bei Aktien stattfand.
1972 dokumentierte er die Ergebnisse in seinem Stock Trader’s Almanac, einem Handbuch für Anleger, das auf saisonalen Trends und historischen Daten basiert.
Der Almanach dokumentierte dieses Muster auch in den folgenden Jahrzehnten. Zwischen 1950 und 2022 schauten sich die Analysten den S&P 500 Index an und kamen schließlich auf die folgenden >Zahlen:
- in diesen 73 Jahren erreichte der Index in der Woche nach Weihnachten ein durchschnittliches Plus von 1,3 Prozent
- insgesamt konnte der Weihnachtseffekt 58 Mal beobachtet werden (also in knapp 80 Prozent der Fälle)
Mögliche Erklärungen für den Weihnachtseffekt
Für den Effekt gibt es mehrere Erklärungsansätze:
- Vorwegnahme des Januareffekts: Investoren erwarten steigende Preise im Januar und kaufen daher bereits Ende Dezember, Anfang Januar, um die erwarteten Gewinne mitzunehmen.
- Gehaltsboni: Viele Privatanleger erhalten gegen Ende des Jahres Sonderzahlungen und investieren einen Teil davon in die Kapitalmärkte.
- Geringere Liquidität: Institutionelle Investoren unterbrechen ihr aktives Geschäft in der Regel um die Weihnachtszeit. Das hat zur Folge, dass an den Kapitalmärkten ein geringeres Handelsvolumen herrscht. Das kann dazu führen, dass Handelsgeschäfte durch Privatanleger zu größeren Marktbewegungen (in diesem Falle nach oben) führen als üblich.
- Neujahrsvorsätze: Möglicherweise setzen viele Anleger ihre Neujahrsvorsätze (zum Beispiel das Starten eines Wertpapiersparplans) in den ersten Tagen des Januars um.
Gibt es den Weihnachtseffekt wirklich?
Laut >Investopedia ist es fraglich, ob es diesen Effekt tatsächlich noch gibt. Die Autoren haben sich die Werte der letzten 20 Jahre angeschaut und dabei sowohl die Woche nach als auch die Woche vor Weihnachten berücksichtigt.
Sie haben dabei herausgefunden, dass die durchschnittlichen Erträge in der Zeit zwar leicht positiv waren, aber nicht mal in die Nähe der 1,3 Prozent aus dem Almanach kamen. Ein Weihnachtseffekt konnte nur in 65 Prozent der Fälle beobachtet werden.
Der Effekt lässt sich also weder vorhersagen, noch bringt er die Gewinne, die in früheren Jahrzehnten gemacht werden konnten.
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Andere Marktanomalien und was aus ihnen wurde
Neben dem Weihnachtseffekt gibt es weitere bekannte Anomalien:
- Montagseffekt: Dieser Effekt beschreibt die Tendenz, dass die Renditen an Montagen im Durchschnitt niedriger oder sogar negativ sind. Eine mögliche Erklärung ist, dass sich negative Nachrichten über das Wochenende ansammeln und am Montag verarbeitet werden. Zudem könnten institutionelle Anleger ihre Positionen vor dem Wochenende abbauen, was den Verkaufsdruck erhöht. Der Montagseffekt ist in den letzten Jahrzehnten in vielen Märkten nahezu verschwunden.
- Januareffekt: Der Januareffekt bezeichnet die Beobachtung, dass Aktien im Januar tendenziell höhere Renditen erzielen. Dies könnte auf steuerliche Aspekte wie den Jahresendverkauf von Verlustpositionen und anschließende Wiederkäufe zu Jahresbeginn zurückzuführen sein. Auch Portfolioanpassungen institutioneller Anleger könnten eine Rolle spielen. Der Januareffekt zeigt sich in abgeschwächter Form heute nur noch bei kleinen Unternehmen, ist dort jedoch weniger ausgeprägt als früher.
- Momentum-Effekt: Aktien, die in der Vergangenheit starke Kursgewinne erzielt haben, neigen dazu, auch in der näheren Zukunft weiterzusteigen. Psychologische Faktoren wie Herdentrieb oder Überreaktionen auf Nachrichten könnten diesen Effekt antreiben. Dieser Effekt kann auch heute noch beobachtet werden. Er ist aber in der wissenschaftlichen Literatur umstritten.
- Value-Effekt: Dieser Effekt beschreibt die langfristig überdurchschnittlichen Renditen von Aktien, die im Verhältnis zu ihrem fundamentalen Wert (wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis oder Kurs-Buchwert-Verhältnis) günstig bewertet sind. Eine Erklärung ist, dass Anleger teure Wachstumsaktien bevorzugen, die aber erst einmal zeigen müssen, dass sie auch in Zukunft die Erwartungen erfüllen können. Günstig bewertete Aktien der Substanzunternehmen haben langfristig höhere Renditechancen bieten. Auch neuere Studien bestätigen das Fortbestehen dieses Effekts. Aber auch dieser ist in der Wissenschaft umstritten.
Warum verschwinden manche Marktanomalien und andere bleiben?
Marktanomalien sind oft das Ergebnis spezifischer Marktbedingungen, psychologischer Verhaltensmuster oder struktureller Faktoren. Doch warum verschwinden einige von ihnen, während andere bestehen bleiben?
- Arbitrage und erhöhte Aufmerksamkeit Sobald eine Anomalie breit bekannt wird, nutzen institutionelle Anleger und Arbitrageure diese aus, bis die Gewinnmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Zum Beispiel verschwand der Montagseffekt in vielen Märkten, nachdem er in Studien aus den 1980er Jahren umfassend dokumentiert wurde. Der Grund: Anleger handelten gezielt gegen diese Muster, was sie neutralisierte.
- Veränderte Marktbedingungen Anomalien sind oft an spezifische Rahmenbedingungen gebunden. Zum Beispiel könnte der Januareffekt durch Änderungen im Steuerrecht oder der Struktur der Anlegerbasis an Relevanz verlieren. Technologische Entwicklungen, wie algorithmischer Handel, können ebenfalls dazu beitragen, dass Anomalien verschwinden.
- Psychologische und kulturelle Faktoren Einige Anomalien bleiben bestehen, weil sie tief in menschlichem Verhalten verwurzelt sind. Der Weihnachtseffekt ist ein Beispiel: Die optimistische Stimmung rund um die Feiertage beeinflusst auch die Finanzmärkte, und psychologische Muster lassen sich nicht so leicht eliminieren wie rein technische Ineffizienzen. Aber auch hier lässt sich eine tendenzielle Abschwächung des Effekts beobachten.
- Kosten und Handelsbarrieren Manche Anomalien bleiben bestehen, weil die Kosten für ihre Arbitrage zu hoch sind. Beispielsweise könnten Transaktionskosten oder regulatorische Beschränkungen verhindern, dass Anleger diese ausnutzen, wodurch sie weiter bestehen bleiben.
- Unregelmäßigkeit: Einige Marktanomalien, die heute noch beobachtet werden können, existieren, weil sie nur in unregelmäßigen Abständen auftauchen. Der Value-Effekt kann bisher nicht vorhergesagt werden, daher konnte er weder durch Arbitrage noch durch antizipatorisches Verhalten neutralisiert werden.
Was bedeuten diese Anomalien für Dich als Anleger?
Es könnte verlockend sein, auf Anomalien wie den Weihnachtseffekt zu setzen. Doch Vorsicht: Solche Strategien sind oft schwer umzusetzen, da die Effekte nicht garantiert sind und Transaktionskosten die Rendite schmelzen lassen können. Trotzdem bieten sie interessante Einblicke in die Psychologie der Märkte.
Wenn Du langfristig investieren möchtest, solltest Du Dich weniger auf solche kurzfristigen Effekte konzentrieren und stattdessen auf eine solide Diversifikation und eine klare Anlagestrategie setzen.
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Resümee
Der Weihnachtseffekt und andere Marktanomalien zeigen, dass die Kapitalmärkte nicht immer perfekt effizient sind. Sie können uns helfen, das Verhalten von Anlegern besser zu verstehen und unsere Strategien daran anzupassen. Doch egal, wie verlockend diese Phänomene erscheinen, eine fundierte, langfristige Anlagestrategie bleibt der Schlüssel zum Erfolg.
Wir genießen in diesem Jahr einfach die Weihnachtszeit – ohne uns zu sehr um kurzfristige Kursbewegungen zu sorgen.