Wie das Produktinformationsblatt in die Irre führt

Shownotes:

Die wichtigsten Inhalte:

  • Die Abschlussprovisionen für einen Versicherungsvertrag sind oft deutlich höher als angegeben
  • Informationen des Produktinformationsblatts sollten genau hinterfragt werden
  • Zusätzliche Regulierung von Seiten des Gesetzgebers ist notwendig

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Die Episode zum Nachlesen

Wie das Produktinformationsblatt in die Irre führt

Einleitung: Das Produktinformationsblatt führt in die Irre

Herzlich willkommen zum Finanzküche Podcast. Ich bin Christoph Geiler und freue mich, dass du hergefunden hast.

Ich möchte heute, auf das Thema Produktinformationsblatt zu sprechen kommen. In der Vergangenheit habe ich das Produktinformationsblatt immer wieder angepriesen. In den letzten Wochen musste ich erfahren, dass es nicht annähernd so transparent ist, wie vermutet. Zwar enthält es beispielsweise wichtige Informationen zu den Vertragskosten, aber deren Aufschlüsselung entspricht alles andere als der Wahrheit.

 

Doppelt so hohe Provisionen wie angegeben

In einem Antrag für eine Berufsunfähigkeitsversicherung bin ich über folgende Angaben gestolpert:

Unter dem Punkt Abschluss- und Vertriebskosten waren Kosten über 780,13 € angegeben.

Diese dienen sinngemäß einerseits der Deckung von Aufwendungen, welche dem Versicherer im Zusammenhang mit der Antragsbearbeitung entstehen und andererseits der Deckung des Aufwands des Vermittlers für Beratung und Vermittlung. Kurz um:

Die angegebene 780,13 € wandern im Normalfall auf das Konto des Vermittlers, wenn der Vertrag abgeschlossen wird. Die 780,13 € sind bereits in die Versicherungsprämien einkalkuliert und werden dem Kunden nicht gesondert in Rechnung gestellt.

Durch Zufall bin ich mit einem Kollegen ins Gespräch gekommen und habe ihn gefragt, was er bei diesem Vertrag tatsächlich auf das Konto überwiesen bekommen würde. Seine Antwort:

Das Doppelte vom ausgewiesenen Betrag. In unserem Fall also 1560,26 € statt 780,13 €. Dazu kommt noch die laufende Bestandsprovision.

Das war mir ehrlich gesagt ein stückweit neu und wir haben uns gefragt, wo die Differenz herkommt.

 

Das Lebensversicherungsreformgesetz

Mit dem vor einiger Zeit beschlossenen Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) sollten die Abschlussprovisionen abgesenkt werden. Genauer schreibt das LVRG den Versicherern vor, dass sie nur noch einen kleineren Teil der Abschlusskosten bilanziell als Kosten geltend machen können.

Vor dem LVRG waren es 40 Promille (4 Prozent) der Beitragssumme über die ersten 5 Jahre der Vertragslaufzeit und heute sind es „nur“ noch 25 Promille (2,5 Prozent).

Die 25 Promille der Beitragssumme entspricht dann auch ziemlich genau den angegebenen Abschluss- und Vertriebskosten im Produktinformationsblatt. Der Vertrieb bekommt oftmals allerdings deutlich mehr ausgeschüttet. Das Geld dafür wird aus anderen bilanziellen Töpfen abgezweigt und wirkt sich negativ auf den Gewinn des Versicherers aus.

 

Vertriebe bekommen höhere Provisionssätze

Das oftmals mehr Provisionen ausgeschüttet werden, hängt damit zusammen, dass größere Maklerpools und andere Vertriebsorganisationen Sondervereinbarungen mit den Versicherern treffen.

Einen Maklerpool kannst du dir als Zusammenschluss von ganz vielen Maklern vorstellen, die ihr Geschäft gebündelt über einen Vertriebskanal einreichen. In der Folge kommt nicht der einzelne Makler einmal im Monat mit einem Antrag vorbei, sondern der Maklerpool kommt beim Versicherer Tag für Tag mit einer Schubkarrenladung Versicherungsanträgen vorbei und hat so eine ganz andere Verhandlungsbasis.

Lässt sich der Versicherer nicht auf Sonderkonditionen ein, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass in Zukunft ein anderer Versicherer das Geschäft bekommt.

 

Katastrophale Intransparenz

Die zusätzlichen ausgeschütteten Provisionen lassen sich auf dem Produktinformationsblatt nur unter dem Punkt übrige einkalkulierte Kosten erahnen. Hier finden wir bei unserem Beispiel folgende Aufstellung:

  • Jährlicher Beitragsaufwand: 768,60 €
  • Davon jährliche übrige Kosten: 146,16 €
  • Davon Verwaltungskosten: 86 €

Zwischen den 86 € und den 146,16 € hat der Versicherer einen gewissen Spielraum, um beispielsweise dem Vertrieb einen „Schnaps“ oben drauf zu geben. Das ist dann auch die Erklärung, wo die zusätzlich ausgeschütteten Provisionen herkommen.

Das Problem:

Das System ist völlig intransparent. Als Kunde wirst du im Dunkeln darüber gelassen, wer wie viel von deinem Geld bekommt. Dass es für mich als Honorarberater darüber hinaus ein klarer Wettbewerbsnachteil ist, wenn die Hälfte der üblichen Provisionen unter den Tisch gekehrt werden, soll an dieser Stelle nur eine Randnotiz sein.

Das Produktinformationsblatt geht am Ziel vorbei, Transparenz zu schaffen. Dabei sollte man denken, dass es im Jahr 2018 nicht so schwer sein kann, die Kostenbelastung eines Versicherungsvertrages klar und verständlich aufzuschlüsseln.

 

Hast du alle Unterlagen bekommen?

Was mich darüber hinaus zum Nachdenken gebracht hat, ist die Aussage eines Vertrieblers:

Das Produktinformationsblatt ist gut und schön, aber entscheidend ist nicht, dass der Kunde es bekommt, sondern das er unterschreibt, dass er es bekommen hat.

Im Klartext heißt das, dass es in der täglichen Vertriebspraxis immer wieder vorkommt, dass Kunden das Produktinformationsblatt überhaupt nicht ausgehändigt bekommen. Zusammen mit dem Versicherungsantrag lässt man den Kunden aber unterschreiben, dass er alle relevanten Informationen ausgehändigt bekommen hat.

Wenn ich daran denke, wie ich AGBs im Internet ungelesen zustimme, wundert es mich nicht, dass diese Masche auch mit Versicherungskunden funktioniert …

 

Resümee: Informationen kritisch hinterfragen

Was du dir als Fazit aus dieser Episode mitnehmen kannst, ist, dass du alle Vertragsunterlagen genau prüfen solltest, bevor du eine Versicherung abschließt. Wenn du etwas unterschreiben sollst, prüfe vorher, ob du alle Unterlagen bekommen hast und vor allem:

Prüfe, für was du genau unterschreibt.

Wenn Unterlagen fehlen, fordere sie nach oder nimm vom Vertragsabschluss abstand.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass es in Sachen Transparenz noch reichlich Luft nach oben geben. Da ist auch der Gesetzgeber gefragt, nachzulegen.

Ich bin gespannt, was von Seiten der Politik noch kommt. Das Provisionsverbot war immer wieder Thema. Der Gesetzgeber hat mit dem Lebensversicherungsreformgesetz klar gemacht, dass die Provisionen sinken sollen. Bisher funktioniert das eher schlecht als recht und damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Provisionsverbot in Zukunft wieder auf die Agenda kommt.

Wobei ich mir nicht sicher bin, dass damit jemanden geholfen ist. Aus meiner Sicht sollte der Verbraucher die Wahl haben, ob er sich gegen Provision oder Honorar beraten lassen will …

In diesem Sinne: Wir sind am Ende der Folge angelangt. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag und hoffe, dass du beim nächsten Mal wieder mit dabei bist. Bis dahin, tschüss.

Dein Finanzkoch
Christoph Geiler

Portrait vom Autor dieses Artikels
Über Christoph Geiler

Als Finanzberater bin ich auf die Themen Finanzplanung, Geldanlage und Altersvorsorge spezialisiert. Als Finanzkoch bin ich konzeptionell tätig und erstelle Inhalte. In meiner Freizeit schwinge ich den Kochlöffel, treibe Sport und spiele mit meinem Sohn.