Wie nachhaltig Unternehmen wirklich sind: Das Chaos der ESG-Ratings

In einer immer stärker von Nachhaltigkeitsbewusstsein geprägten Welt rücken auch die ESG-Ratings vermehrt in den Fokus von Investoren und Unternehmen. Den einen dienen sie als Aushängeschild für ihre „grünen“ Produkte, den anderen als Orientierung im Dickicht der zahlreichen Angebote.

Aber wo kommen diese Ratings eigentlich her? Und wie kommen sie zustande? Um das zu klären, werfen wir im Artikel einen genaueren Blick auf die Arbeit von Ratingagenturen und die Aussagekraft ihrer Bewertungen.

Wir schauen uns außerdem an, was für Anlegerinnen und Anleger in Bezug auf Nachhaltigkeit und ESG-Ratings wichtig ist.

Eine Frau hält eine grüne Pflanze mit Wurzeln in ihren Händen.

Was sind ESG Ratings?

ESG-Ratings werden herangezogen, um Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vergleichbar zu machen.

In der Regel handelt es sich bei einem ESG-Rating um eine Risikokennzahl. ESG steht für Environmental (Umwelt), Social (Sozial) und Governance (Unternehmensführung). Zum einen kann das Rating ausdrücken, welches Risiko diese 3 Faktoren auf die Entwicklung des Unternehmens haben. Zum anderen kann auch die Wirkung oder der Einfluss des Unternehmens auf das Umfeld gemessen werden werden. Viele Ratings lassen letzteres außen vor.

Um ein Rating zu erstellen, werden für jeden Bereich verschiedene Indikatoren gemessen, gewichtet und ausgewertet. Im Bereich Umwelt wird zum Beispiel berechnet, welchen Einfluss Naturgefahren auf das Unternehmen haben können. Ein Indikator ist dabei die Eintrittwahrscheinlichkeit eines bestimmten Naturereignisse, ein anderer Indikator sind die damit verbunden möglichen Schäden für das Unternehmen.

Das Ergebnis der Auswertung aller dieser Indikatoren bildet der sogenannte Ratingscore. Dieser zeigt auf einer Skala aus Zahlen oder Buchstaben an, wie gut das Unternehmen abgeschnitten hat. Da bei der Auswertung auch branchenspezifische Risiken berücksichtigt werden können, lassen sich anhand der jeweiligen Skala auch Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen miteinander vergleichen. Das gilt allerdings nicht für alle Ratings.

Die Scores sollen Investoren dabei helfen, Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit einordnen und miteinander vergleichen zu können, um zu entscheiden, wohin das Geld investiert werden soll. Das können institutionelle Investoren sein. Zum Beispiel Fondsmanager, die ein „grünes“ Produkt auflegen wollen. ESG-Scores helfen aber auch privaten Anlegern direkt, wenn sie sich selbst ein nachhaltiges Depot zusammenstellen möchten, oder indirekt, wenn sie nachhaltige Produkte einschätzen und vergleichen möchten.

Wer erstellt diese Ratings? Letztendlich kann jeder, der möchte, mit genügend Zeit und den verfügbaren Daten ein eigenes ESG-Rating für Unternehmen erstellen. Da aber nicht jeder die nötigen Ressourcen hat, machen dies vor allem Finanzinstitutionen (um ihre eigenen Produkte einzuordnen) oder spezielle Ratingagenturen.

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Was machen Ratingagenturen?

Ratingagenturen (wie Moody’s oder Standard&Poors) kennt man vor allem aus dem Bereich der Kreditwürdigkeitsmessung. Um zum Beispiel die Bonität eines Staates zu messen, werten Ratingagenturen verschiedene Indikatoren und Zahlen bezüglich der Zahlungsfähigkeit aus. Anhand einer Buchstabenskala werden diese Staaten entsprechend eingeordnet.

Auch Unternehmen, Personen und Finanzinstrumente können ihre Bonität bewerten lassen. In der Regel wird die Agentur von den jeweiligen Akteuren oder Emittenten beauftragt und bezahlt. Das heißt, bei Ratingagenturen handelt es sich um Privatunternehmen, die ihre eigenen Auftraggeber bewerten sollen.

Das gleiche gilt für ESG-Ratingagenturen. Dazu gehören zum Beispiel Sustainalytics, MSCI oder Institutional Shareholder Services (ISS), auf die wir im nächsten Kapitel tiefer eingehen werden.

ESG-Ratingagenturen definieren selbst, was sie messen wollen und welche Indikatoren sie dazu heranziehen. Und sie entscheiden selbst, wie sie messen wollen – also welche Messmethoden sie verwenden. Einen offiziellen Standard gibt es (noch) nicht.

Eine >Studie von 2022 hat untersucht, inwieweit die Messungen einzelner Ratingagenturen für etwas mehr als 900 Firmen vergleichbar sind. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Ergebnisse und Scores zwischen den Agenturen teils deutlich auseinander gehen. Das liegt unter anderem daran, dass Unternehmen unterschiedliche Datenquellen verwenden, unterschiedliche Gewichtungen vornehmen und unterschiedliche Kategorien bewerten.

Zudem stellen sie fest, dass die unterschiedlichen Messmethoden zu unterschiedlichen Einschätzungen führen können.

Eine Zahl, die zeigt, wie sehr die Ergebnisse der Ratingagenturen auseinander gehen ist der Korrelationskoeffizient. Dieser kann zwischen 1 und -1 liegen, wobei 1 bedeutet, dass alle Ergebnisse gleichen Werten entsprechen; -1 heißt, dass Ergebnisse entgegengesetzt sind und 0 bedeutet, dass es keinen Zusammenhang gibt. In der Studie liegt die Korrelation bei 0,55.

Das ist nicht sehr hoch und zeigt, dass die Ergebnisse sehr unterschiedlich sein können. Zum Vergleich: Bei den Bewertungen zur Bonität von Unternehmen korrelieren die Ergebnisse der 3 großen Agenturen je nach Studie mit 0,96 bis 0,99 fast perfekt miteinander.

Dass ESG-Ratingagenturen so unterschiedlich bewerten, messen und gewichten ist nicht grundsätzlich schlecht. Die Nutzer der Ratings haben selbst unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen. Es lässt sich aber von außen schwer einschätzen, wie viel Subjektivität (etwa bei der Wahl der Indikatoren) mit hinein spielt. Und es ist fraglich, ob allen Nutzern bewusst ist, was gemessen wird.

Die 3 wichtigsten Ratingagenturen in der Praxis

Um an praktischen Beispielen zu zeigen, wie Ratingagenturen arbeiten, habe ich mir 3 bekannte heraus gesucht: MSCI, Sustainalytics und Institutional Shareholder Services (ISS).

MSCI

Die erste Ratingagentur, mit der wir uns beschäftigen, dürfte den meisten ein Begriff sein: >MSCI. MSCI ist ein Indexanbieter, der zusätzlich ESG-Ratings für Unternehmen und Fonds durchführt. Das Rating misst >laut eigener Aussage die Resilienz (also Widerstandskraft) von Unternehmen gegenüber langfristigen Risiken in den ESG-Bereichen.

Auf einer Skala von AAA bis CCC werden die Unternehmen daran bewertet wie stark sie Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt sind und wie gut sie diese managen können. AAA und AA gehören zu den besten, A, BBB und BB zu den mittleren und der Rest zu den schlecht. Dabei sollte man beachten, dass MSCI die Unternehmen im Vergleich zu ihren „peers“ einordnet. Ich denke, dass hiermit Unternehmen der gleichen Branche gemeint sind. Das bedeutet für mich, dass ein Unternehmen mit einem AAA Rating nicht unbedingt eine glänzende Widerstandsfähigkeit gegenüber Risiken besitzt, sondern nur, dass es besser ist als die Vergleichsgruppe. Dadurch lassen sich Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen schwer miteinander vergleichen.

MSCI hat bereits 8.500 Unternehmen untersucht und 680.000 Wertpapiere. Ihre Daten ziehen sie aus öffentlichen Quellen (von staatlichen Webseiten oder Nichtregierungsorganisationen), Berichten der Unternehmen und Berichten aus den Medien. Im Gegensatz zu manch anderen Ratingagenturen verzichtet MSCI darauf, den Unternehmen spezielle Fragebögen zu schicken.

Sie bewerten branchenspezifische Herausforderungen und aktualisieren ihre Daten wöchentlich.

Neben den Risiken beschäftigt sich MSCI auch mit dem Einfluss der Unternehmen auf ihr Umfeld. Dazu nimmt MSCI unter anderem Bezug auf die Sustainable Development Goals der UN und stellt heraus, welches der Ziele besonders durch das jeweilige Unternehmen besonders verfolgt werden.

Hierzu zwei Anmerkungen: 1) Das UN-Programm selbst gilt als umstritten. Kritisiert wird zum Beispiel, dass es zu viele Ziele gibt und diese nicht klar umrissen sind und dass Zielkonflikte ausgeblendet werden.

2) Auch wenn MSCI Einschätzungen zum Impact von Unternehmen vornimmt, müssen wir uns vor Augen halten, dass der Ratingscore ausschließlich Risiken bewertet, denen das Unternehmen gegenüber steht. Das ist natürlich wichtig für Investoren, da Risiken bei der erwarteten Rendite eine Rolle spielen. Wer aber einschätzen möchte, wie viel ein Unternehmen zur Nachhaltigkeit beiträgt, sollte neben den Ratings andere Quellen zu Rate ziehen.

Sustainalytics

Der nächste ESG-Score Anbieter ist Sustainalytics. Das Unternehmen gehört zu Morningstar und bietet Forschung und Datenanalyse zu ESG für institutionelle Investoren und Unternehmen. Der Kern ihrer Arbeit dreht sich um Risiken und Möglichkeiten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit.

Das ESG-Rating von >Sustainalytics soll – ähnlich wie bei MSCI – den Investoren bei der Einschätzung helfen, welchen Risiken Unternehmen ausgesetzt sind und wie sie mit diesen Risiken umgehen.

Anders als MSCI vergibt Sustainalytics Punkte statt Buchstaben. Die Punktzahl entscheidet darüber, in welche der 5 Risikokategorien ein Unternehmen gehört. Je niedriger die Punktzahl, desto besser. Die Punktzahlen stellen absolute Werte dar, die bereits Industrie spezifische Herausforderungen berücksichtigen. Das ermöglicht den Investoren, Unternehmen aus unterschiedlichen Industrien zu vergleichen. Gezählt werden 42 Industrien mit insgesamt 138 Subindustrien.

Sustainalytics hat bereits 20.000 große, mittlere und kleine Unternehmen bewertet. Bei großen und mittleren Unternehmen werden 70 bis 90 Indikatoren ausgewertet, bei kleinen Unternehmen 20 bis 30. Die Indikatoren werden jährlich aktualisiert. Parallel dazu werden Medienberichte ausgewertet und mögliche Kontroversen berücksichtigt.

ISS

ISS steht für „Institutional Shareholder Services“ und macht genau das. Es unterstützt Investoren und Unternehmen mit Datenanalysen zu Märkten, Nachhaltigkeit und Unternehmensführung. Das Unternehmen ist mehrheitlich im Besitz der Deutsche Börse Group.

Anders als bei den beiden ersten Ratinganbietern misst ISS nicht nur die Risiken, denen Unternehmen gegenüberstehen, sondern auch inwiefern Unternehmen negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt abmildern und positive Veränderungen bringen.

Wie Sustainalytics arbeitet ISS mit einer >absoluten Skala, allerdings mit Buchstaben: A+ (plus) steht für die beste Bewertung und D- (minus) für die schlechteste. Auch hier fließen Industrie spezifische Risiken und Möglichkeiten in die Bewertung ein. Dabei unterscheidet ISS zwischen 73 verschiedenen Industrien.

Für das Rating arbeitet ISS mit 700 Indikatoren, von denen je nach Industriezweig um die 100 in die Bewertung eines Unternehmens einfließen. Die Grundlage dafür bilden unterschiedliche internationale Rahmenregelungen wie die UN Sustainable Development Goals (die wir unter MSCI kurz besprochen haben), aber die UN Global Compact Principles oder die EU Sustainable Finance Taxonomy.

Mein Eindruck ist, dass ISS insgesamt transparenter arbeitet als die anderen beiden. Auf allen drei Webseiten lassen sich Informationen zur Methodologie finden, aber nirgends so ausführlich wie bei ISS. Gleichzeitig konnte ich – anders als bei den beiden anderen – keine Ratingergebnisse für einzelne Unternehmen finden.

Zwischenfazit

Bei der Beschreibung der drei Unternehmen und ihrer Ratings lassen sich bereits einige grundlegende Herausforderungen für private Investoren ablesen. Während zwei der Unternehmen ausschließlich Risiken bewerten, enthält der nur das Rating eines Unternehmens direkt soziale und ökologische Auswirkungen. Alle Unternehmen arbeiten mit unterschiedlichen Indikatoren (qualitativ und quantitativ), Gewichtungen und Skalen.

Wie lässt sich hier sinnvoll vergleichen?

Ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung: Auf der Seite der >Deutschen Bank finden sich die ESG-Ratings für das Unternehmen:

  • MSCI: A
  • Sustainalytics: 27,9
  • ISS: C+

Immerhin sind auf der Seite die Skalen vermerkt, die jedes Unternehmen benutzt und ein paar Anmerkungen zur Entwicklung der Ratings für die Deutsche Bank. Im Text über den Ratings spricht die Bank von einem insgesamt guten Niveau für 2023. Aber ist das wirklich so? Und was kann sich ein Investor hier eigentlich mitnehmen?

Beim MSCI-Rating sehe ich zum Beispiel, dass A nicht die beste Wertung ist. Ich sehe aber nicht, dass das Rating keine absolute Wertung ist, sondern nur das Verhältnis zu anderen Unternehmen der gleichen Branche darstellt. Zudem nimmt MSCI eine Einteilung der Scores in 3 Kategorien vor. Mit einem A befindet sich die Deutsche Bank in Kategorie 2, die als Durchschnitt bezeichnet werden.

Beim Sustainalytics Rating könnte man auf den ersten Blick davon ausgehen, dass 27,9 von 100 Punkten ein durchaus gutes Ergebnis ist. Schaut man sich die Risikokategorisierung an, stellt sich ein anderes Bild dar. Es gibt 5 Kategorien: vernachlässigbare, niedrige, mittlere, hohe und schwerwiegende Risiken. In Kategorie 5 kommt man bereits mit 40 Punkten. Mit ihren 27,9 Punkten landet die Deutsche Bank in Kategorie 3 der mittleren Risiken (20 bis 29,99 Punkten). Kann man das als gutes Niveau bezeichnen?

Von ISS hat die Deutsche Bank ein C+ erhalten. Hier wissen wir, dass nicht nur Risiken, sondern auch der Impact auf Gesellschaft und Umwelt gemessen werden. Die Deutsche Bank schreibt zu den Rating, dass sie mit dieser Wertung zu den wenigen Unternehmen gehört, die überhaupt ein C+ erzielen. Konkrete Zahlen dazu konnte ich nicht finden, aber eine kurze Suche hat ergeben, dass die meisten großen deutschen Banken ein C+ oder höher haben, einige ein C. Zudem verwendet ISS ebenfalls Kategorien für die Ratingergebnisse. Hier landet die Deutsche Bank in Kategorie 3 von 4 (medium).

Die Deutsche Bank hat damit sicher keine schlechten Ergebnisse im Bereich Nachhaltigkeit, gleichzeitig ist die Aussagekraft dieser Ergebnisse für Investoren eher gering.

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Was ist für Anlegerinnen und Anleger wichtig zu beachten?

Im Laufe meiner Recherche habe ich selbst viel gelernt über Ratingagenturen und Nachhaltigkeit in der Geldanlage. Ich war aber auch sehr ernüchtert. Nachhaltigkeit halte ich persönlich für ein wichtiges Thema und möchte natürlich auch andere ermutigen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen.

Das heißt aber auch, dass wir hinter die Fassade schauen müssen und uns über Begriffsinhalte, Verfahrensmethoden und letztendlich die Grenzen von solch institutionalisierten Nachhaltigkeitsvorstellungen austauschen sollten.

Gleichzeitig sollten wir ESG-Richtlinien und -Ratings nicht komplett abschreiben. Nur weil die aktuelle Lage unzufriedenstellend ist, bedeutet das nicht, dass alles so bleiben muss. Seit Nachhaltigkeit in der Finanzbranche angekommen ist, hat sich einiges getan und es wird sich auch in Zukunft einiges tun. Von Seiten der Wissenschaft, der Praktiker und der Konsumenten gab und gibt es konstruktive Kritik und diese wird sich früher oder später in sinnvollere Angebote niederschlagen.

Doch es gibt einiges, was Anlegerinnen und Anleger bereits jetzt überlegen und tun können, um einen Zugang zum Thema zu finden und dabei die Ratings als ein nützliches Werkzeug zu gebrauchen:

  • Zunächst sollte jeder für sich klären, wie wichtig einem das Thema Nachhaltigkeit ist und ob es bei der Geldanlage überhaupt eine Rolle spielen soll.
  • Soll Nachhaltigkeit bei der Anlage eine Rolle spielen, sollte sich jeder bewusst machen, dass man mit einem „nachhaltigen“ Portfolio auch nicht die Welt retten wird. Das eigene Konsumverhalten kann womöglich einen viel größeren Effekt haben – zum Beispiel indem ich mehr regionale Produkte kaufe.
  • Es gibt kein perfektes nachhaltiges Portfolio für alle. Anleger haben unterschiedliche Vorlieben und Ansprüche. Was für den einen nachhaltig ist, ist für den anderen nicht nachhaltig genug. Zugleich gibt es viele Unternehmen und Finanzprodukte, die mit Nachhaltigkeit werben, bei näherem Hinschauen aber ganz und gar nicht nachhaltig sind.
  • Ratings können bei der Auswahl der Geldanlage eine Rolle spielen. Als Risikokennzahlen geben sie einen Hinweis darauf, vor welchen finanziellen Herausforderungen Unternehmen stehen und wie sie diese möglicherweise bewältigen können. Das sind Dinge, die Einfluss auf die Rendite haben können. Zudem haben wir gesehen, dass es Ratings gibt, die zusätzlich die negativen und positiven Auswirkungen von Unternehmen auf die Gesellschaft und Umwelt bewerten.
  • Ratings sollten immer hinterfragt werden. Die Methoden, Gewichtungen und Ergebnisse unterscheiden sich von Agentur zu Agentur. Wir sollten genau hinschauen, was und wie gemessen und ausgewertet wurde. Oder ob es um Risiken oder auch den Impact geht.
  • Was für Ratingagenturen gilt, gilt auch für die Nachhaltigkeitsratings von Finanzinstitutionen. Es gibt Anbieter von Finanzprodukten, die bewerten Unternehmen nach ganz eigenen Methoden und Maßstäben. Andere Anbieter arbeiten mit den Ergebnissen einer oder mehrerer Ratingagenturen, um die entsprechenden Produkte auszuwählen. Ganz egal wie Finanzinstitutionen vorgehen, sollten wir uns auch mit deren Methoden und Bewertungen auseinandersetzen.

Was bringt die geplante EU-Reform?

Die EU hat einige Probleme der Ratingagenturen erkannt und in der zweiten Hälfte 2023 eine >Reform angestoßen. Mit der Reform sollen die Zuverlässigkeit und Transparenz der Ratings verbessert werden. Es soll organisatorische Grundsätze geben und klare Regeln, um Interessenkonflikte zu vermeiden (wir erinnern uns: die Unternehmen bezahlen die Agenturen für ein Rating).

Geplant ist zudem, dass Ratingagenturen, die in der EU Dienstleistungen anbieten, von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zugelassen und beaufsichtigt werden sollen. Dies soll Investoren noch mehr Schutz bieten.

Das klingt sinnvoll und würde einige Probleme lösen. Da die Reform keinerlei inhaltliche Regelungen (Indikatoren, Datengrundlage) treffen möchte, werden wir weiter vor der Herausforderung stehen, inwiefern die Ratings vergleichbar und aussagekräftig sind.

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Resümee

ESG-Ratings bieten eine Möglichkeit für Investoren, Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitspraktiken zu bewerten und zu vergleichen. Allerdings stehen Anleger dabei vor großen Herausforderungen.

Zum einen ist nicht sofort ersichtlich, was gemessen wird. Die meisten Ratings messen „nur“ das Risiko, welches Unternehmen bezüglich Nachhaltigkeit und ESG ausgesetzt sind und nicht den Einfluss, den das Unternehmen selbst auf Gesellschaft und Umwelt hat. Zum anderen ist nicht ganz klar, was eigentlich gemessen wird. Die unterschiedlichen Methoden, Gewichtungen und Indikatoren der Ratingagenturen schränken sie Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Ergebnisse ein. Die mangelnde Transparenz bei vielen Unternehmen erschwert das Ganze.

Während die geplante EU-Reform die Transparenz und Zuverlässigkeit der Ratings verbessern könnte, bleibt die Frage nach der Vergleichbarkeit und Aussagekraft bestehen.

Das alles dürfte für viele Anleger enttäuschend sein, geht es ihnen doch darum, dass sie mit ihrer Geldanlage einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten wollen. Aber genau diesen Aspekt spiegeln die meisten Ratings nicht wider. Erst die weiteren Recherchen auf den Seiten der Ratinganbieter geben einen Eindruck davon, welchen Einfluss Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft haben. Dieser Rechercheaufwand ist aber nicht verbraucherfreundlich.

Letztendlich sollten Anlegerinnen und Anleger Ratings kritisch hinterfragen und sich bewusst sein, dass sie nur einen Teil der Nachhaltigkeit eines Unternehmens erfassen. Wer sein Portfolio mit den eigenen Vorstellungen von Nachhaltigkeit in Einklang bringen möchte, sollte sich abseits der Ratings Gedanken machen, was Nachhaltigkeit für einen selbst bedeutet.

Nachhaltigkeit in der Geldanlage ist auch das Thema unseres >Webinars Nachhaltiges Investieren mit ETFs: Anspruch & Wirklichkeit am Montag, den 22. April 17:30 bis 19:00 Uhr. Hierzu bist Du herzlich eingeladen.

Das Webinar richtet sich an Dich, wenn Du: 
– wissen möchtest wie nachhaltig ESG-Produkte in der Realität sind
– wenn Du Dich für nachhaltige Geldanlage interessierst 
– Du verstehen möchtest wie das Ganze funktioniert.
Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Das Webinar ist kostenlos. Anmelden kannst Du Dich >hier.

Portrait vom Autor dieses Artikels
Über Birgit Hünniger

Ich bin Finanzberaterin und unterstütze die Finanzküche bei ihrer operativen und visionären Arbeit. Meine Aufgabenbereiche sind die Führung von Beratungsgesprächen inkl. Vor- und Nachbereitung, sowie die Erstellung von Beiträgen für Blog und Newsletter.