Ist die Dividendenstrategie sinnvoll? Keine Antwort, aber eine Lösung

Es ist soweit, ich kapituliere. Eigentlich sollte hier ein epochaler Artikel über die Dividendenstrategie folgen. Doch daraus ist nichts geworden.

Was ist passiert?

Für die Recherche habe ich mich in zahlreiche Fachartikel und Blogs vertieft. Ein Beitrag ist schlauer als der andere. Doch am Ende zählt wie immer nur eins, die Fakten. Also was macht man(n)? Einen ähm … Naja, man(n) schaut, wer den Schöneren hat … In diesem Fall heißt das Chartvergleich. Bringen Dividendenaktien eine systematische Überrendite oder nicht? Die Antwort gibt’s im Artikel.

Ist die Dividendenstrategie sinnvoll?

Kaum eine Strategie ist so populär, wie die Dividendenstrategie. Sie huldigt den sogenannten Dividenden-Aristokraten. Das sind Unternehmen, die regelmäßig hohe Dividenden ausschütten und diese möglichst jährlich erhöhen. Von diesen Unternehmen erwartet sich der Dividenden-Investor eine systematische Überrendite. Zudem freut er sich über regelmäßige Zahlungseingänge im Depot.

An dieser Stelle sollten diverse Charts folgen, die die These der Überrendite untermauern oder untergraben. Ich habe mich dagegen entschieden.

Warum?

Dividendenstrategie: Die Wertentwicklungen der Vergangenheit sind keine Garantie für zukünftige Ergebnisse.

Der Satz findet sich unter jedem Fondsporträt und unter jeder Werbung wieder. Charts spiegeln die Wertentwicklung der Vergangenheit wieder. Wenn ich damit Anlagestrategien vergleiche, projiziere ich vergangene Wertentwicklungen in die Zukunft.

Ich stelle mir die Frage, wie aussagekräftig solche Vergleiche sind. Und wenn sie aussagekräftig sind, wie lang muss die zugrunde liegende Zeitreihe sein? 20? 40? 100? Oder gar 500 Jahre?

Bevor diese Frage nicht geklärt ist, lohnt es sich nicht, verschiedene Strategien hinsichtlich einer Überrendite zu vergleichen.

Wenn Dividendenaktien in der Vergangenheit eine beeindruckende Performance hingelegt haben (oder eben auch nicht), muss sich das nicht wiederholen. Es kann sogar das Gegenteil der Fall sein.

Gehen wir davon aus, dass Regression zum Mittelwert existiert und alle Aktientypen im Mittel die gleiche Performance hinlegen. Dann ist es wahrscheinlich, dass die Aktien, die sich in den letzten Jahrzehnten besser entwickeln haben, in den nächsten Jahrzehnten schlechter abschneiden.

Welche Aktien sollen wir also wählen? Die Gruppe, die besser gelaufen ist? Oder die, die schlechter gelaufen ist?

Mit Blick auf die Vergangenheit, können wir schnell einem Trugschluss aufsitzen. In der Folge wählen wir systematisch die Aktien, die zukünftig eine niedrigere Renditeerwartung haben.

Es kommt darauf an, welche Menge an historischen Daten nötig ist, um sinnvolle Aussagen zu treffen. Zudem stellt sich die Frage, an was man glaubt. Existiert Regression zum Mittelwert? Dabei wird davon ausgegangen, dass sich eine Anlage langfristig ihrem historischen Mittel annähert.

Ich gestehe, dass ich auf die Frage, ob die Dividendenstrategie sinnvoll ist, keine analytisch fundierte Antwort habe. Für mich ist es fraglich, ob solche Analysen zulässig sind. Was denkst du?

Trotzdem habe ich eine Lösung gefunden. Ich habe mir die Frage gestellt:

Warum sollten Unternehmen, die ihre Gewinne ausschütten, statt sie zu reinvestieren, erfolgreicher sein?

Auf diese Frage fällt mir keine schlüssige Antwort ein. Solange das so bleibt, lasse ich die Finger von der Dividendenstrategie. Eine einfache Lösung für ein komplexes Problem.


Winning the Loser’s Game

Charles D. Ellis hat es in seinem Buch Winning the Loser’s Game auf den Punkt gebracht. An der Börse zu handeln, ist ein Spiel der Verlierer. Verlieren wirst du, wenn du einen entscheidenden Fehler machst. Ausschließlich auf Dividendenaktien zu setzen, könnte ein solcher Fehler sein.

Immer wenn jemand mit einer überzeugenden Strategie um die Ecke kommt, denke ich an die Truthahn-Illusion. Sie wird von Gerd Gigerenzer in dem Buch Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft,  beschrieben.

Stell dir vor, ich bin ein Truthahn. Am ersten Tag kommt der Bauer. Ich weiß nicht, ob er mich schlachten oder füttern will. Ich habe Glück, er füttert mich. Am zweiten Tag bin ich wieder skeptisch, bekomme aber abermals mein Futter. So geht es bis zum hundertsten Tag. Wie wahrscheinlich ist es, dass ich wieder Futter bekomme?

Nach der Laplace Regel ist die Wahrscheinlichkeit = (n+1)/(n+2). Sie nimmt mit jedem Tag zu und beträgt am hundertsten Tag satte 99 Prozent.

Ich warte also entspannt auf meine Fütterung, da holt der Bauer sein Beil raus und straft mein Risikomodell lügen. Ich konnte nicht wissen, dass heute Thanksgiving ist.

Die Geschichte verdeutlicht den Unterschied zwischen Ungewissheit und Risiko. Der Verlauf des Aktienmarktes ist ungewiss. Ihn in Risikomodelle zu pressen geht zwangsläufig schief, denn ständig geschehen unvorhergesehene Ereignisse.

Meine Antwort auf Ungewissheit ist und bleibt die Diversifikation.

Dein Finanzkoch
Christoph Geiler

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Portrait vom Autor dieses Artikels
Über Christoph Geiler

Als Finanzberater bin ich auf die Themen Finanzplanung, Geldanlage und Altersvorsorge spezialisiert. Als Finanzkoch bin ich konzeptionell tätig und erstelle Inhalte. In meiner Freizeit schwinge ich den Kochlöffel, treibe Sport und spiele mit meinem Sohn.