Interview: Birgit Hünniger auf ihrem Weg zur Honorarberaterin

Mit den Prüfungen zur Versicherungsfachfrau und zur Finanzanalgenfachfrau hat >Birgit die rechtliche Grundlage für ihre Tätigkeit als Honorarberaterin gelegt.

Im Interview haben wir

  • Über ihren Weg zur Finanzberaterin gesprochen
  • Wie sich ihre Sichtweise zu Geld verändert hat
  • Und warum es so wenige Frauen in der Finanzberatung gibt
Eine Frau und ein Mann sitzen am Tisch und unterhalten sich

Der Entscheidungsprozess hin zu einer beruflichen Veränderung

Christoph: Herzlich willkommen zum Finanzküche Podcast, ich bin Christoph Geiler und freue mich, dass du heute wieder mit dabei bist. Mit dabei ist heute auch wieder Birgit. Hallo Birgit.

Birgit: Hallo Christoph.

Christoph: Birgit – heute in einer besonderen Position – nämlich als Ausgefragte. Es geht heute primär um dich. Mich interessiert immer, wenn ich mit Menschen zusammenarbeite – deswegen auch für die Hörer sehr interessant; sollte es zumindest sein – welche Motivation hat derjenige, der vor mir sitzt beziehungsweise wem ich da zuhöre. Spannend finde ich auch deinen Weg. also du hast eine relativ sichere Anstellung aufgegeben oder deinen eingeschlagen Berufsweg noch mal geändert in Richtung Finanzberatung. Und da habe ich einige Fragen dazu. Da interessiert mich der Entscheidungsprozess, wie du tatsächlich zu der Entscheidung gekommen bist, den eingeschlagenen Pfad zu verlassen und Veränderung dort anzustreben, welche Motivation du da mitgebracht hast, wie der Gedankenprozess war oder ob du Unterstützung hattest. Berufliche Veränderung ist gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit immer mal wieder bei dem einen oder anderen, ein Thema. Dann hast Du aus dem finanziellen Bereich auch schon ein paar interessante Erfahrungen gemacht. Du hast die Prüfung zur Versicherungsfachfrau und zur Finanzanlagenfachfrau abgelegt. Dazu würde mich deine Meinung brennend interessieren. Es ist ja schon eine Weile her, dass ich die ganzen Sachen durchlaufen bin. Und dann haben wir noch so ein zwei andere Themen. Ich würde vorschlagen, dass wir einfach starten. Ich kenne jetzt deinen Lebenslauf. Ich habe ihn mir noch mal angeschaut und war wirklich fasziniert. Ich glaube unser erstes Treffen war am 14.07.2021. Ich hätte gedacht, wir kennen uns erst ein gutes Jahr. Es sind schon gute zwei Jahre. Da sieht man mal wie die Zeit vergeht. Mein Sohn hat gestern Vormittag gesagt:“ Papa. Ich glaube, ich gehe dir schon bis zur Brust.“ Also der ist geschossen, die ganzen Hosen sind schon zu kurz. Und genauso wie der geschossen ist – die Zeit rennt – kennen wir uns schon fast zwei Jahre. Ich würde vorschlagen, dass wir noch mal kurz rekapitulieren, weil da sicherlich noch das ein oder andere ist, was ich auch noch nicht weiß. Was hast du eigentlich gemacht, bevor du zu uns gekommen bist?

Birgit: Was ich unmittelbar davor gemacht habe oder alles was ich die Jahre davor gemacht habe?

Christoph: Vielleicht so die 2 bis 3 Jahre vorher. Was hast du studiert? Was hast du gearbeitet? Wie kam so – auch aus finanzieller Sicht – dieser Shift hin, dass dich vielleicht das Thema Geld dann auch ein bisschen mehr interessiert hat und vielleicht sogar eine berufliche Idee daraus geworden ist?

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Birgit: Also, studiert habe ich ursprünglich Arabistik, Politikwissenschaft und Soziologie – also was ganz was anderes – habe das dann 2012 abgeschlossen und danach hatte ich dann sehr viele unterschiedliche Stellen, die hauptsächlich durch Projektbefristungen geprägt waren oder durch Elternzeitbefristungen. Das heißt, ich wusste, dass es nur befristete Stellen sind und habe mich dann jedesmal wieder umorientiert und nach neuen Stellen gesucht. Die ganzen Jobs, die ich hatte, da waren ein paar sehr schöne dabei, ein paar weniger schöne, aber immer etwas, was nicht nachhaltig lief beziehungsweise wo ich nicht lange war und mich immer wieder umorientieren musste. Und irgendwann habe ich mir dann die Frage gestellt, was will ich denn nun eigentlich langfristig machen und wie komme ich an den Job, den ich dann auch wirklich machen möchte. Da hatte ich dann mal wieder eine Befristung hinter mir und hatte dann einen Kurs an der Volkshochschule gefunden zum Thema „Karriereplanung“ oder „Was möchte ich eigentlich“. Und die Frau, die das unterrichtet hatte, die fand ich sehr sympathisch und habe dann bei ihr noch mal ein einzelnes Jobcoaching gemacht. Und da ging es dann wirklich darum: was sind meine Stärken, was sind meine Schwächen, was sind meine Interessen, wo kann ich mir vorstellen überhaupt zu arbeiten, in welchem Bereich, was genau könnte ich dort machen, wie genau kann ich da hinkommen, muss ich noch eine Ausbildung dafür machen. Diese ganzen Sachen kann man dann gedanklich durchgehen. Das hatte ich dann zwischendurch wieder auf Eis gelegt, weil ich dann erstmal eine Anstellung an der Universität Leipzig gefunden hatte – überbrückungsweise ursprünglich, um Geld zu verdienen und weiter drin zu bleiben und es war ja auch ein interessantes Fachgebiet. Das war aber wieder nur befristet und dann habe ich mich innerhalb der Universität von einer befristeten Stelle zur nächsten gehangelt. Es war auch eine schöne Arbeitsumgebung, es war eine schöne Zeit, aber immer nicht so richtig das, was ich eigentlich machen wollte. Und da hatte ich dann eben wieder angefangen, mich mal tief damit zu beschäftigen, was ich wirklich will, was mich wirklich interessiert. Eines meiner Interessengebiete war schon seit Ende meines Studiums – das hatte schon ein bisschen im Studium angefangen – das Thema Wirtschaft und Finanzen. Gerade makroökonomische Themen haben mich immer fasziniert, die ganze Finanzwelt fand ich immer interessant. Ein Teil meiner Studienphase war ja auch geprägt durch die Finanzkrise. Und das hat mich dann in unterschiedlicher Hinsicht geprägt. Und da hatte ich dann eben überlegt, okay, warum denn nicht einfach mal in den Bereich reinschnuppern und dann war ja die Frage, wie komme ich am besten rein. Ich habe nebenbei noch ein wirtschaftswissenschaftliches Studium als Fernstudium gemacht, und da ging es ja eher um die Frage, was mache ich denn mal praktisch, um wirklich zu gucken, ist die Branche was für mich, was kann ich dazu beitragen. Dann habe ich einfach geschaut, in Leipzig, was gibt es so für Finanzberater, zwischendurch hatte ich mir noch mal Unternehmensberatung angeguckt – KPMG und so, ob die Praktika anbieten. Dann bin ich auf deine Seite gelangt – die Finanzküche. Das war einfach auch die Seite, die mich sofort angesprochen hat, die am sympathischsten rüberkam und die auch gleich auf Anhieb Werte vermittelt hat, mit denen ich mich selber identifizieren konnte. Und dann habe ich einfach den Hörer in die Hand genommen und bei dir angerufen.

Christoph: Du hast gesagt die Weltfinanzkrise hat dich in mehrerer Hinsicht geprägt. Was meinst du damit?

Birgit: Zum einen inhaltlich. Ich war ja währenddessen noch Studentin. Das heißt, ich musste nicht während der Finanzkrise den Arbeitsmarkt betreten. Daher ging es vordergründig erstmal darum, wie konnte sowas überhaupt entstehen? Man hat das ja live miterlebt wie aus der Finanzkrise eine Wirtschaftskrise wurde und die ganzen Auswirkungen dann davon. Und dass es auch nach dem Studium nicht einfach war einen Job zu bekommen und schon gar keinen unbefristeten Job.

Eine neue Sichtweise auf Geld?

Christoph: Du hast ja gesagt dass Arabistik und Sozialwissenschaften studiert hast. Ich glaube, das ist gar nicht so weit weg von dem, was du jetzt tust, weil Geld ja auch ein sehr soziales Thema ist. Und das merken wir auch immer in der Beratung. Da spielt viel innere Einstellung mit rein. Von daher würde ich gar nicht sagen, dass es was ganz was anderes ist. Es ist vielleicht einfach ein Entwicklungsschritt in die Spezialisierung rein. Soziale Themen rund ums Geld. Meine Frau studiert auch Sozialwissenschaften. Was mir da hängengeblieben ist, ist das Panoptikum. Das ist dieses Gefängnis, das so gebaut ist, dass man von der Mitte aus in alle Zellen reinschauen kann. Und da ist manchmal gar keiner oben, der da reingucken kann, aber alle Insassen verhalten sich anders, weil sie wüssten, sie könnten beobachtet werden. Da ist mir das Finanzamt eingefallen. Da verhält man sich anders, weil es jemanden gibt, der mich vielleicht irgendwann mal kontrolliert, obwohl er mich gar nicht kontrolliert. Also, so weit weg finde ich das gar nicht. Hat sich durch die letzten Jahre dein Blick auf das Thema Finanzen geändert?

Birgit: Ja auf jeden Fall. Es war früher oft ein Stressfaktor für mich selber, weil ich aus einem Haushalt komme, wo immer der Eindruck vermittelt wurde, dass das Geld knapp ist. Das hatte mich sehr geprägt und auch lange noch begleitet – immer dieser Gedanke „Ich habe zu wenig Geld, ich muss sparen, ich muss damit haushalten“. Das hat sich in den letzten Jahren alles auch schon ein bisschen entspannt und jetzt auch noch mal durch die Finanzplanung – diese auch gedanklich selber mal durchzugehen – ist sehr viel Entspannung reingekommen. Und dann die zweite Sache mit Geld anlegen und Finanzmärkte. Da wurde ich auch sehr geprägt. Ich hatte immer den Eindruck, dass es eine besonders stressige Sache ist. Dass man sehr viel Risiko eingeht, immer schauen muss wie viel Geld habe ich jetzt verloren oder was machen die Finanzmärkte, immer dranbleiben und gucken. Das hat sich jetzt komplett eigentlich geändert. Ich meine, natürlich geht man immer noch ein Risiko ein, aber es gibt Mittel und Wege, um sich das so einzurichten, dass man wirklich eine langfristige Strategie hat und versteht, warum man die hat und wie sie funktioniert. Und dass man dann einfach dran bleibt und das nimmt einem auch so ein bisschen den Druck dahinter.

Christoph: Das was ich verstanden habe in den letzten Jahren ist, dass Geld immer relativ ist; alles was viel, was wenig Geld ist. Im Prinzip ist unendlich viel da. Es ist halt nur ungleich verteilt. Darauf basiert auch unser System ein Stück weit. Also würdest du sagen, dass primär Entspannung in das Thema reingekommen ist.

Birgit: Auf jeden Fall.

Brigits Ausbildung zur Finanzberaterin

Christoph: Das habe ich auch bei mir wahrgenommen. Es ist ganz oft eine Kopfsache, ob ich mir jetzt Geldsorgen mache oder nicht. Ich wüsste jetzt nicht, dass ich damals kein Geld auf dem Konto hatte. Im Prinzip hätte ich mir nie Sorgen machen müssen. Ich mache mir immer nur Sorgen, ob es in der Zukunft passt. In der Gegenwart passt es eigentlich immer. Wenn man sich das so vergegenwärtigt, dann kommt bei mir schon ein Stück weit Entspannung rein. Und man weiß halt auch, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt, was macht man vielleicht wenn es knapp wird. Man hat halt mehr Handlungsoptionen. Du hast in den letzten Monaten zwei wichtige Schritte genommen. Die Versicherungsfachfrau. Da hast du auch schon einen >Beitrag veröffentlicht. Das war, glaube ich, dein erster Solo-Podcast, wo nur du gesprochen hast. Das fand ich sehr spannend und hab festgestellt, dass du eine Podcast-Stimme hast. Du hast auch mal beim Radio gearbeitet, wenn ich das richtig im Kopf habe. Radio Lotte war es?

Birgit: Genau, in Weimar. Das war dann kurz nach dem Studium für zwei Jahre.

Christoph: Aber nicht selbst als Sprecherin, oder?

Birgit: Nein, ich war in der Redaktion und habe nur 1, 2 Mal moderiert. Das war auch stressig. Es hat aber viel Spaß gemacht und ich habe mir auch viel mitgenommen.

Christoph: Also, hast du Prüfung zur Versicherungsfachfrau und Finanzanlagenfachfrau abgelegt. Ich habe ja so meine eigene Einschätzung dazu. Vielleicht als Hintergrundwissen: Man kann nicht einfach so sagen, ich bin jetzt Finanzberater oder Finanzberaterin; zumindest seit einigen Jahren geht das nicht mehr. Vor zehn Jahren ging das noch. Da konnte das quasi jeder machen. Und jetzt hat man so ein paar Hürden eingebaut. Wenn man jetzt z.b. als >Versicherungsvermittler / Versicherungsberater tätig werden möchte, brauchen die eine Prüfung zur Versicherungsfachfrau, dass man da eben einen Schein hat. Und im Finanzanlagebereich ist eben die Finanzanlagenfachfrau. Du hast dich im Eigenstudium dann auch darauf vorbereitet. Also, wir haben so ein Vorbereitungspaket gekauft. Das habe ich damals nicht anders gemacht. Würdest du sagen, dass die Prüfungen ein Qualitätsmerkmal sind? Dass man sagen kann, okay wer sagt, ich bin Versicherungsfachfrau oder Finanzanlagenfachfrau, ist gleichzeitig ein kompetenter Berater oder kompetente Beraterin oder würdest du das eher verneinen.

Birgit: Ich würde das jetzt nicht so gleichsetzen. Also, die Sachkundeprüfungen haben mir insofern schon geholfen, weil ich einfach einen guten Überblick über das Thema aus fachlicher Hinsicht bekommen habe. Zum Beispiel, was es bei der Versicherungsfachfrau für Sparten gibt, was da so die Grundregeln sind, wie die einzelnen Versicherungen funktionieren. Allerdings ging es auch nicht sehr in die Tiefe. Man weiß jetzt nicht, wie Versicherungen wirtschaften, wie sie Erträge erwirtschaften oder wie sie ihre Prämien wirklich berechnen. So tief ging es nicht in die Materie, aber es war einfach gut, um mal einen Überblick zu bekommen, so ein gewisses Grundverständnis für diesen Bereich. Aber ich denke, am wichtigsten ist dann, das in die Praxis umzusetzen. Viel Erfahrungen zu machen zum einen und sich auch konstant weiterentwickeln und immer sich weiterbilden, Klar ist es wichtig, dass man weiß was eine Hausratsversicherung ist, wofür die da ist, warum sie gut ist und warum sie vielleicht nicht gut ist, aber uns interessieren ja vor allem auch Lebensversicherungen und da gehen wir ja sehr in die Tiefe bei der Finanzplanung. Und da ist es wirklich wichtig dann in der Praxis zu gucken, was muss ich jetzt noch wissen und was kann ich dann vermitteln.

Christoph: Mir hat damals die kritische Auseinandersetzung mit den Themen gefehlt. Das bedeutet, man sieht so funktioniert Riester, deswegen ist Riester toll, ich habe mein Steuervorteil und das ist die betriebliche Altersvorsorge und die und die Konzepte gibt es und die sind auch alle toll. Ist das so geblieben oder gibt es mittlerweile wirklich auch, dass man so sagt, das könnten Vorteile sein, das könnten Nachteile sein und bei dem Mandanten wäre es ja nicht interessant und bei dem ist es vielleicht interessanter. Oder ist das tatsächlich so geblieben?

Birgit: So in die Tiefe ging das da eigentlich auch nicht. Ich empfand es auch als relativ unkritisch. Klar hat man manche Sachen relativiert, die vielleicht früher nicht so relativiert worden, aber mein Eindruck war genau der, den du hattest. Dass es sehr unkritisch ist und es eher im Vordergrund steht, dass man die Vorteile den Kunden und Mandanten präsentiert.

Christoph: Dann ist dein Eindruck gefühlt so ähnlich wie meiner. Gerade bei dem Finanzanlagenteil fand ich sehr schön, dass eben dieser rechtliche Rahmen gelehrt wird. Was muss man alles haben: Geeignetheitsprüfung und so weiter und so fort. Aber dann die kritische Auseinandersetzung mit den Produkten. Die kommt da relativ kurz. Das sollte auch jeder Mandant am Ende wissen, dass das die Basics sind und wenn da jemand mitwirkt, hat er mal was getan, hat auch Grundwissen erworben, aber es ist kein Tiefenwissen. Das ist nicht vergleichbar mit einem Studium oder ähnlichem. Ich bin ja dann noch einen Schritt weiter gegangen mit dem Fachberater. Da geht es zwar tiefer rein, aber du merkst halt, dass die Inhalte von der Branche mitbestimmt werden. Auch beim Fachwirt, der geht ja dann eher in die Firmenrichtung rein und dann kannst du Konzepte für die betriebliche Altersvorsorge oder so was erarbeiten. Aber auch dort, und das merken wir dann in der Praxis, wenn man das dann halt wirklich durchrechnet, ist das halt was anderes als wenn ich sage: okay, ich spare Steuern und dann zahle ich wieder Steuern; als dann wirklich den Effekt durchzurechnen und dann zu merken, okay, was mir dort gegeben wird, das wird mir später wieder genommen und manchmal wird mir so viel genommen, dass sich das ganze vielleicht gar nicht mehr rechnet. Gerade auch mit den ganzen Einschränkungen, die ich dann auch mit habe und Vertragskosten etcetera. Das zieht sich eigentlich komplett durch durch diese IHK-Schiene bis hoch zum Fachwirt aus meiner Erfahrung. Ich muss immer wieder an dieses Lehrbuch denken, wo die Finanzberatung als Prozess tituliert wird, die dazu da ist, um Produkt zu vermitteln und genau das ist das, was ich eben dort wahrgenommen habe. Trotzdem bringt es diese Grundlagen mit und dann ist halt die Frage, was man daraus macht.

Birgit: Ich weiß nicht, ob das noch mal ein Unterschied ist, ob man so einen Kurs dazu bucht, wo man von einem Menschen alles vermittelt bekommt, weil ich beim Lesen der Skripte ganz oft immer diese Frage im Hinterkopf hatte: warum? Ich habe mich immer gefragt: okay, da steht jetzt die Zinsen steigen, also fallen Anleihen. Aber warum? Es wird dann dort nicht erklärt. Wenn man es verstehen will, muss man anderweitig recherchieren oder jemanden fragen.

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Frauen in der Finanzbranche

Christoph: Der Vorteil ist, wenn man das „Warum“ dann als Frage formuliert, dann kriegt man vielleicht eine Antwort, aber im Prinzip gehen die auch die Skripte durch. Aber logischerweise, wenn man da noch jemanden hat, mit dem sich austauschen kann, kriegt man vielleicht links oder rechts noch mal ein bisschen mehr mit. Den Austausch machen wir jetzt halt hier. Spannende Frage, ich hatte es, glaube ich, schon mal in dem vorangegangen Podcast angesprochen: bei mir was damals so, ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt eine Frau dabei hatten als ich die Prüfungen abgelegt habe. Aber es war sehr sehr mau, was das angeht und die meisten kamen von irgendwelchen Strukturvertrieben – junge Kerle im Anzug. Ist das immer noch so oder ist mittlerweile die Frauenquote ein bisschen höher bei den Prüfungen?

Birgit: Die Prüfung zur Versicherungsfachfrau haben sehr viele abgelegt im Gegensatz zur Finanzanlagenfachfrau, also, insgesamt Männer und Frauen, hatte ich das Gefühl. Wir hatten vier Prüfungsräume, bei der anderen waren es nur zwei Prüfungsräume. Bei den Versicherungen war es sehr ausgeglichen – war so mein Eindruck – so fifty fifty zwischen Männer und Frauen. Und bei Finanzanlagen da war die Quote dann doch ein bisschen anders, also in meinem Prüfungsraum – ich glaube, wir waren insgesamt 15 Leute und mit mir war noch eine andere Frau mit dabei. Ich weiß nicht wie es im anderen Prüfungsraum war, vielleicht saßen da die ganzen Frauen drin, aber ansonsten scheint sich da jetzt nicht so viel geändert zu haben. Ich hatte auch mal versucht Statistiken zu finden, die einem tatsächlich das man aufschlüsseln, gerade spezifisch für Finanzanlagenberatung. Habe ich nicht gefunden. Das einzige, was man an Statistiken findet, ist eigentlich immer nur die Quoten von Personen in Spitzenpositionen, also wie viele Männer und Frauen sitzen jetzt in irgendeinem Vorstand eines großen Unternehmens oder so. Schade, dass es keine anderen Zahlen gibt. Da hat sich wohl in den letzten Jahren auch einiges gebessert, aber es ist gerade auch so eher bei etwas über 10 Prozent Frauenanteil.

Christoph: Was mir immer hängen geblieben ist, ist das ein oder andere Erstgespräch, wo mir eben gesagt wurde: „Ich habe eigentlich Beraterin gesucht, es gab aber keine, da hätte ich bis nach Berlin fahren müssen für ein persönliches Gespräch.“ Wo man merkt, okay, der Osten ist ja generell schon, wenn du einen Finanzanlagenvermittler, jemand der auf Provisionsbasis arbeitet, suchst, findest du noch die ein oder andere Frau, aber wenn es dann halt schon in die Nische rein geht.. Das heißt, Honorar ist ja immer noch in der Beratung eine Nische, da mache ich mir nichts vor. Und dann halt noch eine Frau zu suchen in der Branche, scheint immer noch in Riesenproblem zu sein, zumindest wenn du jemanden haben willst, der vor Ort ist, und du eben nicht in Berlin wohnst, wo halt eine ganz große Stadt ist. Es freut mich noch mal besonders, dass wir jetzt hier ausgeglichen sind, was die Geschlechterverteilung angeht. Was glaubst du woran liegt es, dass es wenig Frauen gibt, die den Weg einschlagen? Und glaubst du, das sollte geändert werden – provokativ gefragt? Muss das überhaupt geändert werden oder kann das so bleiben?

Birgit: Woran könnte es liegen? Ich glaube, weil die Finanzbranche ein sehr männerdominiertes Bild vermittelt. Es ist sehr viel auf Wettbewerb aus, auf Ellenbogen raus und mich vor ankämpfen, familienunfreundlich. Ich glaube, das ist so das, was man immer so ein bisschen unbewusst wahrnimmt. Und das schreckt natürlich viele Frauen ab, gerade Frauen die dann natürlich auch eine Familie planen, die nicht die ganze Zeit irgendwie in so einen Konkurrenzkampf verfallen wollen, sondern einfach gute Arbeit leisten möchten. Und ich glaube, an dem Bild könnte auf jeden Fall gearbeitet werden, weil seit ich hier arbeite, war so was überhaupt gar kein Thema. Hier geht’s überhaupt gar nicht um Konkurrenz oder irgendwas. Klar steht man mit anderen Unternehmen im Wettbewerb oder so, aber es ist eigentlich ein sehr ausgeglichenes Arbeitsumfeld für mich persönlich. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass das in anderen Unternehmen vielleicht weniger so ist. Dass es da noch mehr auf Quoten und Kunden und vermittelte Produkte ankommt. Und es sollte sich auf jeden Fall in der Hinsicht auch was ändern. Auf jeden Fall sollten mehr Frauen reinkommen. Vielleicht bringen die dann noch ein bisschen Entspannung, ich weiß es nicht. Vielleicht muss sich die Branche erst von selber entspannen bevor die Frauen kommen. Das bedingt sich alles sicherlich gegenseitig, aber die Branche kann auf jeden Fall an ihrem Image arbeiten.

Erwartungen und weitere Pläne

Christoph: Alles klar, Auftrag erkannt. Ich finde auf jeden Fall, und merkt man auch, es kommen andere Perspektiven rein. Da gibt es mittlerweile Studien dazu, dass, glaube ich auch Unternehmen, die von Frauen geführt sind, vielleicht sogar erfolgreicher sind als die, die von Männern geführt werden. Wobei ich die Geschlechterfrage immer gar nicht so entscheidend finde, aber wenn man dann eben – das sage ich jetzt als Mann – von außen schaut und in so einem Prüfungsraum sitzt und nur Kerle sieht, dann mache ich mir schon Gedanken, warum das jetzt so ist. Du bist jetzt schon eine Weile dabei. Was sich mir als Frage gestellt hat: Hast du das Berufsbild so erwartet oder sind da so ein paar Sachen, wo du sagst, okay, das hätte ich jetzt im Positiven wie im Negativen vielleicht anders gesehen? Du hast noch nicht ganz so viel selbst beraten, das wird jetzt Stück für Stück mehr werden. Du hast also auch schon so ein bisschen vom Alltag mitbekommen.

Birgit: Ja, gute Frage. Ich glaube, so einen tiefen Einblick in die gesamte Branche habe ich noch nicht bekommen. Ist ja auch logisch, wenn man jetzt in einem Unternehmen anfängt, dann lernt man natürlich erstmal das Unternehmen kennen. Ja ich hatte eigentlich, glaube ich, gar nicht so große Erwartungen. Ich wollte einfach reinschnuppern und gucken, was überhaupt hier gemacht wird und was mich dann vielleicht erwartet und ob das wirklich was für mich ist, weil das Thema Beratung und anderen Menschen zu Seite stehen, war auch wichtig für mich für den weiteren Berufsweg. Und ich war einfach sehr positiv überrascht von der Art der Beratung. Dass Honorarberatung eher was für mich ist, war mir von vornherein klar – anstatt Provisionsberatung, wo es dann eher um die Produkte geht. Es war für mich immer wichtig, dass es um die Mandanten geht und deren Wünsche und das wird hier eigentlich zu 100 Prozent gelebt. Und die ganze Philosophie dahinter und die Vorstellungen, die vermittelt werden und wie man auch mit den Mandanten ins Gespräch geht und wie man die Beratung vollzieht; das war eigentlich so was wo ich nicht gedacht hätte, dass das so positiv ist.

Christoph: Was glaubst du was eine gute Finanzberatung ausmacht?

Birgit: Zuhören. Das ist schon mal das erste. Dass man sich wirklich für die andere Person interessiert, auch wirklich hört, was sie sagt, was deren Wünsche und Motivationen sind. Dass man sich nicht immer selber einbringt, sondern erstmal die Personen erzählen lässt und dann guckt, wo man überhaupt mit Hilfe ansetzen kann. Zuhören und allgemein Kommunikation ist, glaube ich, mit ein Grundpfeiler der ganzen Beratung. Und dann gut beraten können. Ich meine, viel mit Fachbegriffen rumhantieren ist, glaube ich, nicht so praktisch, weil die Mandanten es verstehen sollen und sie sollen dann auch damit umgehen können und nicht alles wieder nach der Beratung vergessen haben. Zu wissen wie man berät, ist unheimlich wichtig, wie man Inhalte rüber bringt. Und die dritte Sache ist dann einfach das Fachwissen. Dass man sich immer konstant weiterentwickelt weiterbildet, immer auf dem Laufenden bleibt und immer weiß, welche Entwicklungen tun sich gerade auf. Was gibt’s für neue Perspektiven. Ich glaube, das sind so die drei wichtigsten Sachen.

Christoph: Ich glaube, eine Sache – und das ist mir dann auch klar geworden – während meiner Tätigkeit ist so dieses: die Fragen, die entstehen, wenn man sich wirklich für sein Gegenüber interessiert. Wenn das nicht gegeben ist, ist es, glaube ich, das falsche Berufsbild. Das ist so die Grundvoraussetzung und den Rest kann man sich halt erarbeiten. Fachwissen kann man sich erarbeiten, auch wie man etwas herüberbringt. Wobei da manche so gestrickt sind, manche so. Aber die Grundvoraussetzung ist wirklich dieses innere Interesse zu entwickeln an dem Gegenüber. Der steht ja im Fokus. Und das ist auch das, was ich teilweise auch schon schmerzhaft lernen durfte, dass man die eigenen Vorstellungen auch hinten anstellen muss. Und aufpassen muss, dass man nicht die eigenen Vorstellungen auf den Mandanten oder auf die Mandantin Überträgt. Das sieht man ja auch, wenn man sich ein bisschen damit beschäftigt. Eine Studie gibt es für die Geldanlage, aber das lässt sich dann aber auf andere Bereiche übertragen. Da hat man bei der Geldanlage festgestellt, wenn Mandant und Berater zusammen ein Portfolio entwerfen, dann passt das Portfolio besser zum Berater als zum Mandanten. Und da muss man halt sehr hinterher sein. Das geht halt nicht zu 100 Prozent, dass man die Welt nicht aus seiner Brille bewertet, aber so weit wie möglich sollte das eben gegeben sein. Jetzt sind wir im Heute quasi angekommen. Du hast die ersten Beratungen gemacht, hast die Prüfungen gemacht. Was sind die nächsten Schritte? Was erwartet dich die nächsten Monate?

Birgit: Noch mehr Beratung durchführen. Viel selbständige Beratung machen und da viel dabei lernen und meinen eigenen Stil vielleicht auch finden. Geplant ist jetzt erstmal vor allem Anlageberatung zu machen und dann kommt irgendwann die Finanzplanung dazu. Das wäre dann so die Königsklasse. Das ist doch ein bisschen komplexer noch. Vielleicht noch Webinare anbieten, um andere an dem Wissen teilhaben zu lassen. Das ist immer noch eine spannende Sache. Ich glaube damit bin ich in den nächsten Monaten ganz gut ausgelastet.

Christoph: Auf jeden Fall cool, dass du da bist. Vielen Dank für das Interview. Damit sind wir am Ende angekommen. Bis zum nächsten Mal. Tschüss.

Portrait vom Autor dieses Artikels
Über Christoph Geiler

Als Finanzberater bin ich auf die Themen Finanzplanung, Geldanlage und Altersvorsorge spezialisiert. Als Finanzkoch bin ich konzeptionell tätig und erstelle Inhalte. In meiner Freizeit schwinge ich den Kochlöffel, treibe Sport und spiele mit meinem Sohn.

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Über Birgit Hünniger

Ich bin Finanzberaterin und unterstütze die Finanzküche bei ihrer operativen und visionären Arbeit. Meine Aufgabenbereiche sind die Führung von Beratungsgesprächen inkl. Vor- und Nachbereitung, sowie die Erstellung von Beiträgen für Blog und Newsletter.