Griechenland-Rettung – oder einfach „linke Tasche, rechte Tasche“

Ich will gar nicht erst bestreiten, dass es in Griechenland tiefe strukturelle Probleme gibt. Reformen sind hier zwingend notwendig. Doch dass wir uns als Retter Griechenlands aufspielen, muss für die griechische Bevölkerung schon fast zynisch anmuten. Da wundert es nicht, wenn radikal gewählt wird.

Was hier betrieben wird, nennt man Insolvenzverschleppung. Aber was für den normalen Bürger strafbar ist, scheint in der Griechenlandfrage niemanden weiter zu stören.

Die Frage, die man sich stellen sollte: Wem nützt das Ganze?

Dem griechischen Bürger? Dem griechischen Staat? Uns? Oder geht es hier um die Verteidigung der europäischen Idee?

Die folgende Abbildung zeigt die Arbeitslosenquote in Griechenland:

Abb1Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/17312/umfrage/arbeitslosenquote-in-griechenland/

Die Jugendarbeitslosigkeit liegt übrigens jenseits der 50-Prozentmarke …

Eine ganze Generation steht vor einem Scherbenhaufen. Gut, dass wir hier mit Milliardenhilfen einspringen, um unseren europäischen Freunden in der Not beizustehen! Oder?

Mit Solidarität hat das nichts zu tun. Mindestens drei Viertel der Hilfsgelder sind, nach Recherchen von Attac ( https://www.attac.at/news/detailansicht/datum/2013/06/17/griechenland-rettung-77-prozent-flossen-in-finanzsektor.html ), in den Finanzsektor geflossen. Nur ein Viertel der Gelder floss tatsächlich in den griechischen Staatshaushalt. Dass damit Zinszahlungen und der Militäretat gestemmt worden, kann an dieser Stelle niemanden mehr verwundern.

Die griechischen Bürger haben von dem ganzen Geld wenig bis gar nichts gehabt. Im Gegenteil, sie dürfen den Gürtel enger schnallen und ein Sparprogramm nach dem nächsten über sich ergehen lassen. Dass man hier von europäischer Solidarität wenig begeistert ist, dürfte an dieser Stelle klar sein.

Bei den Hilfsprogrammen ging es also nicht um die Rettung Griechenlands, sondern um die Vermeidung größerer Verwerfungen an den Finanzmärkten.

Im Klartext: Unsere Politiker sind mal wieder vor der Finanzlobby eingeknickt. Die Risiken der Investoren (Banken, Hedgefonds etc.) wurden auf den Steuerzahler umverteilt. Mittlerweile haftet die öffentliche Hand für etwa 80 Prozent der griechischen Staatsschulden, 2010 waren es noch nahezu 0 Prozent.

Um den deutschen Steuerzahler für dieses Spiel zu gewinnen, ringt man Athen immer weitere Sparmaßnahmen ab. Die Folgen konnten wir schon an der Entwicklung der Arbeitslosenquote erkennen. Noch interessanter wird das Ganze, wenn man sich die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts anschaut:

Abb2

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/14398/umfrage/bruttoinlandsprodukt-in-griechenland/

Seit 2008 ist hier ein enormer Rückgang zu beobachten. Was bedeutet das?

Um die Schuldentragfähigkeit eines Landes zu ermitteln, werden die Schulden in das Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt. Folglich steigt die Schuldenquote eines Landes bei sinkendem Bruttoinlandsprodukt. So haben es die Griechen auf eine irre Schuldenquote von 174 Prozent geschafft (nach europäischen Recht, dürfen 60 Prozent nicht überschritten werden …). Kein Sparprogramm der Welt kann hier mehr helfen!

Es wird Zeit, dass wir das griechische Volk unterstützen. Ob es dazu kommen wird, ist jedoch mehr als fraglich. Schließlich haben unsere Politiker gebetsmühlenartig erklärt: „Eine direkte Finanzierung Griechenlands wird es nicht geben.“ Ein weiterer Schuldenschnitt würde jedoch genau diese Aussage ad absurdum führen. Denn wenn man Schulden streicht, muss man auch Guthaben streichen … und dieses Guthaben wird uns (dem Steuerzahler) gestrichen. Damit wäre nicht nur Schäubles „Schwarze Null“ Geschichte, auch Angela Merkels Glaubwürdigkeit wäre untergraben. Bedenken sollte man zudem, dass andere Länder wie Frankreich, Italien und Spanien ebenfalls Abschreibungen vornehmen müssten. Damit könnten deren Finanzierungsprobleme erneut in den Mittelpunkt rücken.

Vielleicht wundern Sie sich jetzt auch nicht mehr, warum man sich von der griechischen Regierung scheinbar an der Nase herumführen lässt. Ein Staatsbankrott Griechenlands würde die anderen Eurostaaten hart treffen.

Ein Schuldenschnitt oder eine Staatspleite ist keine Option. Doch so weiter machen wie bisher, geht auch nicht. Wen sollen die Griechen denn als nächstes wählen, um auf Ihr Leid aufmerksam zu machen? Das will ich mir gar nicht ausmalen …

Wenn man die europäische Idee vertreten möchte, sollte man endlich (wie es teilweise auch schon gefordert wird) eine Art „Marshall-Plan“ auflegen. Griechenland braucht direkte Wirtschaftshilfen, dann wäre man vielleicht auch bereit, Strukturreformen stärker zu verfolgen.

Um Abschreibungen zu vermeiden, kann man z.B. ewige Anleihen ausgeben und deren Zins an die griechische Wirtschaftsentwicklung koppeln. So bliebe unserer Koalition die Peinlichkeit erspart, tatsächliche Verluste einzuräumen.

Falls man die europäische Währungsunion mit allen Mitteln verteidigen möchte, wird man um Transferzahlungen nicht herum kommen. Dafür sind die strukturellen Unterschiede zu groß.

Abschließend kann man sagen, dass die aktuelle „Hilfspolitik“ ein Spiel „linke Tasche, rechte Tasche“ ist. Wir geben den Griechen Geld, damit sie unsere Forderungen begleichen können. Wie ihnen das bei dem Aufbau Ihrer Wirtschaft helfen soll, ist mir schleierhaft.

Nur wenn wir Griechenland dabei helfen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln und bei Reformen unterstützen, werden wir je etwas von unseren Steuergeldern wieder sehen. Wir müssen Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Ihr Finanzkoch
Christoph Geiler

Fotoquelle: © djama – Fotolia

Portrait vom Autor dieses Artikels
Über Christoph Geiler

Als Finanzberater bin ich auf die Themen Finanzplanung, Geldanlage und Altersvorsorge spezialisiert. Als Finanzkoch bin ich konzeptionell tätig und erstelle Inhalte. In meiner Freizeit schwinge ich den Kochlöffel, treibe Sport und spiele mit meinem Sohn.