Ihnen fallen sicher noch etliche weitere Beispiele ein. Es handelt sich dabei um näherungsweise lineares Wachstum. Doch können Sie sich auch vorstellen, mit welcher Geschwindigkeit sich Bakterien vermehren?
Hier stoßen wir in die Welt des exponentiellen Wachstums vor. Vermutlich haben Sie schon oft davon gehört und sich z.B. in der Schule damit auseinandergesetzt. Doch Fakt ist, für den menschlichen Verstand ist diese Form des Wachstums, aufgrund fehlender Vergleichswerte, nur schwer zu begreifen.
In der Finanzwirtschaft hat exponentielles Wachstum eine herausragende Bedeutung. Um es zu veranschaulichen, möchte ich an dieser Stelle auf die beliebte Legende des indischen Herrschers Shihram und des weisen Brahmanen Sissa zurückgreifen.
Shihram’s Volk litt entsetzlich unter seiner Herrschaft. So kam es, dass der weise Sissa seinem König, welcher sich selbst als den größten Eroberer seiner Zeit sah, von dem unendlichen Leid seiner Untertanen berichtete. Er wollte seinem Herrscher verdeutlichen, dass er ohne sein Volk keine Siege erringen könnte. Shihram tobte und drohte Sissa mit dem Tode, wenn dieser seine Behauptungen nicht binnen einer Nacht beweisen könne. So kam es, dass Sissa nach einigen Überlegungen das Schachspiel ersann und seinem Herrscher überreichte.
Shihram wurde ein begeisterter Schachspieler und lernte durch das Spiel, dass ein Herrscher auf sein Volk angewiesen ist. Er wandte sich an Sissa: „Mein Dank sei dir gewiss. Such dir aus meinen Schätzen aus, was du begehrst.“ Daraufhin antwortete Sissa bescheiden: „Ich wünsche nichts aus euren Schätzen mein Herr. Legt mir auf das erste Feld des Spiels ein Weizenkorn und verdoppelt die Anzahl auf jedem weiteren Feld.“ Shihram war erbost: „Willst du mich beleidigen, Brahmane?“ Sissa beschwichtigte seinen Herren: „Erfülle meinen Wunsch und du wirst sehen, dass er nicht so gering ist, wie es scheint.“ Als König Shihram sich Tage später erkundigte, warum Sissa der Wunsch noch nicht erfüllt worden war, teilte ihm sein Rechenmeister mit, dass eine derartige Menge an Weizenkörnern nicht aufgebracht werden könne …
Was war passiert? König Shihram schuldete Sissa unglaubliche 18.446.744.073.709.551.615 (18,446 Trillionen) Weizenkörner! Mit dieser Menge könnte man ganz England mit einer zehn Meter hohen Kornschicht bedecken.
Shihram lernte, dass man auch das augenscheinlich Kleine nicht gering schätzen sollte. Uns soll die Legende, an dieser Stelle, die Macht des Zinseszinses verdeutlichen. Für die einen ist er das achte Weltwunder und für die anderen die Wurzel allen Übels. Für mich ist er, solange es keine sinnvolle Alternative gibt, Mittel zum Zweck.
Bei einer effizienten Geldanlage, ist der Zinseszins das entscheidende Element. Wie wirkt er?
Wenn wir investieren, bekommen wir in der Regel entweder Zinsen (z.B. Anleihen) und/oder Dividenden (Aktien). Werden uns diese Erträge nach einer Periode gutgeschrieben und wir legen sie wieder an, bekommen wir in der nächsten Periode nicht nur auf unsere Ausgangssumme sondern auch auf den wiederangelegten Betrag Zinsen und/oder Dividenden gutgeschrieben. Dieses Spiel können wir ewig fortsetzen. Wir bekommen Zinsen auf die Zinsen (Zinseszins). Unser Anlagebetrag wird immer schneller immer größer – er wächst exponentiell.
Sparen wir beispielsweise dreißig Jahre lang jeden Monat 100 € und legen unsere Erträge immer wieder an (Zinsansammlung) kommen wir auf eine stolze Endsumme von 81.885,88 €. Allein 45.885,88 € davon sind Zinsen.
Legen wir unsere Erträge nicht wieder an (Zinsauszahlung), kommen wir gerade mal auf einen Betrag von 63.075 €.
Je länger der Zeithorizont gewählt wird, desto größer fällt der Unterschied aus.
Fazit:
Der Zinseszins ist bei der Geldanlage ein zentrales Element. Wenn wir vom Zinseszins sprechen, bedeutet das exponentielles Wachstum, welches aufgrund fehlender Bezugspunkte in unserem natürlichen Umfeld nur schwer greifbar ist. Führen Sie sich deswegen die ungeheure Kraft des exponentiellen Wachstums und damit des Zinseszinses immer wieder vor Augen und nutzen Sie sie für sich.
Machen Sie sich den Zinseszins nicht zum Feind! Vermeiden Sie also Schulden, wenn es irgendwie möglich ist.
Ihr Finanzkoch,
Christoph Geiler
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