Das Rentensystem in Norwegen ähnelt dem schwedischen in einigen Punkten, ist aber ein wenig komplexer. Angesichts des demografischen Wandels hat die norwegische Regierung 2011 eine Rentenreform angestoßen, die erst 2025 abgeschlossen sein wird. Es wurde ein flexibles Renteneintrittsalter eingeführt und die Rentenhöhe an die Lebenserwartung angepasst.
Inhaltsverzeichnis
In Norwegen existieren unterschiedliche Rentenarten, die teils leistungs- teils beitragsorientiert sind.
Die Rentenarten können in die folgenden Punkte unterteilt werden, die wir uns im Folgenden detaillierter ansehen:
1. die staatliche einkommensabhängige Rente
2. die Garantierente
3. die Betriebsrente
4. die private Altersvorsorge
Fast alle zahlen in die staatliche einkommensabhängige Rente ein
Neben einigen Ausnahmen zahlen alle Arbeitnehmer:innen und Selbständige zwischen 13 und 75 Jahren ab einem Mindesteinkommen von umgerechnet 5.700 Euro im Jahr in die norwegische Sozialversicherung ein, aus der unter anderem die Renten gezahlt werden.
Arbeitnehmer:innen zahlen 8,2 Prozent ihres Bruttoeinkommens in die Versicherung, während Arbeitgeber:innen 14,1 Prozent der ausgezahlten Löhne einzahlen. Selbständige zahlen 11,4 Prozent ihres Einkommens in die Sozialversicherung ein.*1
Die Berechnung der Rentenauszahlung erfolgt ähnlich wie in Deutschland. Die Einkommen, die über dem Mindestbetrag liegen, werden in Rentenpunkte umgewandelt, aus denen sich später die Zahlungen berechnen. Bei der Auszahlung wird schließlich die Garantierente gegengerechnet.
Die einkommensabhängige Rente funktioniert nach dem Umlagesystem. Die aktuellen Einzahlungen der Arbeitnehmer:innen fließen in die Finanzierung der aktuellen Rentenauszahlungen.
Die Garantierente als Mindestrente für alle
Ähnlich wie in >Schweden gibt es auch in Norwegen eine Garantierente. Anspruch auf diese Grundrente haben alle, die in der norwegischen Sozialversicherung versichert sind und zwischen dem 16. und 66. Geburtstag mindestens drei Jahre in Norwegen gewohnt oder gearbeitet haben.
Die volle Garantierente erhält man nach 40 Jahren. Die Höhe wird jedes Jahr durch das Norwegische Parlament festgelegt und beträgt 2022 ca. 1.760 Euro *2. Das klingt in unseren Ohren erst mal nach viel, muss allerdings wie in Deutschland versteuert werden und wird angesichts der hohen Lebenshaltungskosten weiter relativiert.
Die obligatorische betriebliche Altersversorgung – Was reingeht, kommt auch wieder raus
Die Betriebsrente wurde 2006 flächendeckend in Norwegen eingeführt. Arbeitgeber:innen sind dazu verpflichtet, mindestens 2 Prozent des Nettoeinkommens in einen Altersvorsorgeplan mit Beitragsprimat zu zahlen.*3 Das bedeutet, dass die Leistungen, die die Arbeitnehmer:innen nach ihrer Pensionierung erhalten, direkt von der Höhe der eingezahlten Beiträge abhängig sind. Die Verpflichtung zur Zahlung bezieht sich dabei auf Einkommen, die mindestens dem Grundbetrag und höchstens dem 12-fachen des Grundbetrags entsprechen.
Der Grundbetrag, der für die Berechnung der Rente herangezogen wird, wird jährlich vom Norwegischen Parlament jeweils zum 1. Mai festgelegt. 2020 betrug er umgerechnet 9.297 Euro.
Die Private Altersvorsorge bietet eine Ergänzung zu den Pflichteinzahlungen
In Norwegen wird die private Altersvorsorge nicht staatlich gefördert. Dennoch bieten Banken und Versicherungsgesellschaften unterschiedliche Vorsorgeprodukte wie Pensionsfonds an. Auszahlungen aus den Fonds werden als Kapitaleinkommen versteuert. Das Guthaben kann nach dem Tod als Waisen- oder Hinterbliebenenrente ausgezahlt werden oder aber ins Erbe einfließen. *4
Bei einem Rentenniveau von 55,7 Prozent bei allen öffentlichen und privaten Pflichteinzahlung ist die private Vorsorge sicher keine schlechte Idee. Das Rentenniveau spiegelt das Verhältnis von Einkünften während des Erwerbslebens zu den Rentenzahlungen im Ruhestand wider. Deutschland liegt bei den Pflichteinzahlungen bei 52,9 Prozent.
Dass ein Vergleich dieser beiden Kennzahlen schwierig ist, hatten wir bereits im Artikel über das >Rentensystem in Schweden besprochen: In Deutschland zahlen nicht alle in die einkommensbezogene Rente ein (Beamte, Selbständige und andere Berufsgruppen werden hier nicht mitgezählt). Vorsorgeprodukte wie die Riesterrente gelten in Deutschland als freiwillig und werden hier ebenfalls nicht mit einberechnet. Auch die unterschiedlichen Regelungen zum Renteneintritt erschweren einen Vergleich.
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Der Renteneintritt ist flexibel gestaltet
Wer genügend Rentenansprüche (Rückstellungen) gesammelt hat, kann bereits mit Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand zu gehen. Nach Vollendung des 67. Lebensjahres beginnt die reguläre Rente. Darüber hinaus kann weiter gearbeitet und gleichzeitig Rente bezogen werden. Im Schnitt gehen Frauen mit 63,1 Jahren (in Deutschland 63,2) in Rente, Männer mit 64,9 Jahren (in Deutschland 63,1).*5
Der staatliche Pensionsfonds stabilisiert das norwegische Rentensystem
Um das Rentensystem in Norwegen nachhaltig finanzieren zu können, wurde 2006 der Staatliche Pensionsfonds gegründet. Er setzt sich zusammen aus dem 1967 eingesetzten Staatlichen Pensionsfonds Norwegen (SPN) und dem 1990 eingesetzten Staatlichen Pensionsfonds Ausland (SPU), die separat verwaltet werden.
Im SPN werden die Überschüsse der Sozialversicherung verwaltet und dort zu 60 Prozent in Aktien und andere Eigenkapitalinstrumente und zu 40 Prozent in festverzinsliche Wertpapiere investiert *6.
80 bis 90 Prozent des gesamten Portfolios sollen in Norwegen, der Rest in Dänemark, Schweden und Finnland investiert werden.
Der Fonds erzielte in den letzten 20 Jahren im Durchschnitt eine Rendite von >8,37 Prozent und lag 2021 bei einem Wert von umgerechnet >34,71 Milliarden Euro.
Im SPU landen die Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas aus der Nordsee und dem Europäischen Nordmeer ans Ausland. Dieser Fonds investiert in vier Bereiche (Asset-Klassen):
- zu 70 Prozent in Aktien,
- zu knapp 30 Prozent in Anleihen (internationale Staats- und Unternehmensanleihen)
- und der Rest in nicht börsennotierte Immobilien und Infrastruktur für erneuerbare Energien (zum Beispiel Offshore-Windparks).
2021 hatte der Fonds einen Wert von >1.286,41 Milliarden Euro. In den letzten 20 Jahren konnte der Fonds im Durchschnitt eine Rendite von >6,9 Prozent erzielen, bei einer durchschnittlichen Kostenquote von circa >0,078 Prozent.
Der SPU hält im Aktienbereich global Anteile an über 9.300 Unternehmen (Stand 2021). Insgesamt besitzt er 1,3 Prozent aller börsennotierten Aktien. *7. Die Top-Investments des Fonds waren 2021 unter anderem Nestlé, Tesla, Meta, Apple, Alphabet und Microsoft.
Auch an über 200 deutschen Unternehmen hält der Fonds Anteile.
Dazu gehören zum Beispiel Volkswagen, Bayer, Adidas, Vonovia, Deutsche Telekom und SAP. Wer sich für die genaue Zusammensetzung des Portfolios interessiert, kann dies auf den Seiten der >Norges Bank tun. Dort werden alle Informationen transparent aufbereitet.
Wie auch in Schweden versucht der norwegische Staatsfonds mit Hilfe von Nachhaltigkeitskriterien zu investieren. Beide Fonds – der SPN und der SPU – sollen in diesem Sinne bei der Wertpapierauswahl nach den ESG-Richtlinien entscheiden – also in solche Unternehmen investieren, die in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung nachhaltig agieren.
Wie profitieren nun die Norweger:innen von diesem Fonds?
Unter anderem werden die Einnahmen aus dem Pensionsfonds zur Finanzierung der in den Rentenversicherungsbeiträgen enthaltenen Kranken- und Arbeitslosenversicherung verwendet und auch die Garantierente wird durch den Fonds finanziert.
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Fazit: Das Rentensystem in Norwegen
Das Rentensystem in Norwegen ist ähnlich aufgebaut wie das >schwedische und verfügt über Bestandteile, die mit Hinblick auf spätere Generationen eine gewisse Stabilität und Nachhaltigkeit sichern. Gleichzeitig sollte man bei einem Rentenniveau von knapp 56 Prozent erwägen, zusätzlich privat vorzusorgen.
Die Anpassung der Rentenhöhe an die Lebenserwartung und der flexible Renteneintritt tragen der zunehmenden Rentenlast und der realen Arbeitswelt Rechnung. Gerade körperlich anstrengende Berufe lassen sich nicht bis ins hohe Alter ausführen. Die Garantierente bietet auch in Norwegen eine gewisse Grundsicherung und verhindert größere Altersarmut.
Auf der anderen Seite gibt es weniger demografische oder makroökonomische Automatismen als in Schweden. Die Anhebung des regulären Renteneintrittsalters müsste politisch neu ausgehandelt werden, ebenso wie eine Rentenanpassung an das Wirtschaftswachstum. Finanzieren lässt sich dieses System vor allem durch den staatlichen Pensionsfonds.
Norwegen hat gegenüber anderen Ländern, den Vorteil über erhebliche Ölvorkommen zu verfügen. Die Weitsicht, die Einnahmen daraus nachhaltig zu verwalten und für eine Zeit vorzusorgen, in der die Vorkommen erschöpft sein werden, zeichnet das Rentensystem in Norwegen aus. Diese Weitsicht würde ich mir auch für das deutsche Rentensystem (und nicht nur dieses) wünschen.
Quellen
*1 https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/international/europaeische_vereinbarungen/meine_zeit_norwegen.pdf;jsessionid=2990B26BFB1B95A7FEE10AF01D60017F.delivery1-7-replication?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt aufgerufen am 06.04.2022).
*2 https://www.nav.no/en/home/benefits-and-services/relatert-informasjon/pension-guarantee (zuletzt aufgerufen am 06.04.2022).
*3 https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/pension_glance-2013-72-de.pdf?expires=1649055673&id=id&accname=guest&checksum=7AFE7D08C7B12CD763E27F629DD9B2D1 (zuletzt aufgerufen am 04.06.2022).
*4 https://www.skatteetaten.no/en/person/taxes/get-the-taxes-right/employment-benefits-and-pensions/pension-and-disability-benefit/a-new-scheme-concerning-tax-favourable-individual-pension-saving/ (zuletzt aufgerufen am 06.04.2022).
*5 https://www.oecd-ilibrary.org/docserver/ca401ebd-en.pdf?expires=1654785815&id=id&accname=guest&checksum=DA36B41C9B24C9CBE47EEAF49F22100A (zuletzt aufgerufen am 09.06.2022).
*6 https://www.regjeringen.no/en/topics/the-economy/the-government-pension-fund/investment-strategy-of-the-government-pe/id699600/ (zuletzt aufgerufen am 07.04.2022).
*7 https://www.nbim.no/en (zuletzt aufgerufen am 07.06.2022).