Clever, nachhaltig und gesund – Die Fleischrente

Seit zwei Jahren esse ich kaum noch Fleisch. Das hatte am Anfang vor allem mit meiner finanziellen Situation zu tun. Später gesellten sich Motive wie Gesundheit und Nachhaltigkeit hinzu. Was genau passiert ist und welche finanziellen Auswirkungen es gibt, erzähle ich in diesem Beitrag.

Kosten Vegetarismus: Schild auf dem steht: Good Vibes Only

I. Das Erwachen aus meinem finanziellen Albtraum

Ich startete gerade mein erstes Semester als ich anfing, mir Gedanken über meine Ausgaben zu machen. Eine der Fragen war:

Wie viel Geld brauche ich, um einen Monat über die Runden zu kommen?

Mein Studentenwohnheim kostete 205 Euro, inklusive Strom, Wärme und Internet. Meine restlichen Kosten für den Grundbedarf beliefen sich auf 70 bis 100 Euro pro Monat – je nachdem wie oft ich im Studentenclub feiern war.

In dieser Zeit habe ich für meine Mitbewohnerin und ihren Freund mindestens einmal in der Woche mitgekocht. Die Zutaten habe ich gestellt. Ich hatte Spaß daran, mich an neuen Gerichten zu probieren – sei es eine Reispfanne oder ein Hackauflauf à la Shepherds Pie. Dafür nahm ich das günstigste Fleisch, das ich finden konnte, da mein Budget beschränkt war.

Dass das Hackfleisch nicht wirklich nach Fleisch geschmeckt hat und sehr viel Wasser und Fett ausließ, versuchte ich mit gekörnter Rinderbrühe und anderen Gewürzen zu überdecken.

Irgendwann hat es mir gereicht. Warum zahle ich Geld für etwas, obwohl es nicht schmeckt? Kann ich mir eine bessere Qualität leisten? Meine Antwort war und bleibt nein.

Zu Weihnachten kochte ich das letzte Mal ein herrliches Boeuf Bourguignon (Rindfleischeintopf Burgunder Art) und meine Tante bereitete Kaninchen für Silvester zu.

II. Der Rückfall – Die Rückfälle?

Der erste Monat war eine Herausforderung. Da meine damalige Mitbewohnerin zu dem Zeitpunkt noch Fleisch aß, war der Drang groß, doch mal wieder etwas zu probieren. Man könnte ja etwas verpassen …

Drei Monate später hatte ich einen Rückfall in Erfurt. Bratwurstfest und Hunger trieben mich dazu. Ich kaufte mir eine Bratwurst und es war die beste, die ich in meinem Leben je gegessen habe.

Ich machte mir deswegen keine Vorwürfe und lebte einfach weiter. Da ging ich vermutlich nicht mit den anderen Vegetariern und Veganern konform, die für den Tierschutz auf Tierprodukte verzichten. Mein Verzicht war zu Anfang primär finanziell motiviert.

Mittlerweile wohne ich in einer größeren WG. Hier gehören Bacon, Salamipizza und Leberkäse zum guten Ton. Probleme gab es nie. Die Käse-Lauch-Suppe schmeckt auch mit veganem Hack – oder einfach ohne – fantastisch.

Zu unserem Thanksgiving-Essen vor einem Monat gab es einen Truthahn, der von meinem Mitbewohner von einem Geflügelhof mit guten Haltungsbedingungen bestellt wurde. Die Tatsache, dass ich mitgegessen habe und es mir geschmeckt hat, hat einen kleinen Shitstorm unter einigen meiner Mitbewohner heraufbeschworen. Ich könne doch nicht einfach Fleisch essen …

Oder doch? Für mich als >Flexitarierin war das kein Beinbruch.

III. Meine Ernährung im Wandel: Was kostet Vegetarismus?

In den letzten zwei Jahren hat sich mein Lebensmittelkonsum stark verändert. Ich trinke kaum noch Kuhmilch und esse viel weniger Eier. Fleisch kommt nur auf den Teller, wenn ich weiß wo es herkommt – vorzugsweise vom Jäger aus der Region.

Meine eine Mitbewohnerin findet es jedes Mal amüsant, wenn ich darüber rede, wie lecker ich Fleisch finde und was ich gerne damit ausprobieren würde, weil ich das mal in einem Kochvideo oder einem Kochbuch gesehen habe. Jedoch habe ich nie das Bedürfnis, es auch wirklich zu kochen und dann zu essen. Nicht mit den finanziellen Ressourcen, die mir zur Verfügung stehen. Das Ausmaß, in dem ich früher Fleisch gegessen habe, könnte ich mir in Bioqualität vom Metzger um die Ecke nicht leisten. Das will ich auch nicht.

Das Bedürfnis nach Fleisch ist nahezu verschwunden. Ich habe so viele neue Lebensmittel kennen gelernt und mich sogar an Tofu getraut. Für mich war das früher so ein Unding, das Veganer nutzen, weil sie Fleisch vermissten. Jetzt gehöre ich zu denen, die erkennen, dass es eher mit dem Geschmack und der Konsistenz von etwas alt vertrautem zu tun hat. Nicht ohne Grund lassen sich online Rezepte für vegane Chicken Nuggets finden, die wie das original schmecken sollen. Vegetarische und vegane Köche haben mir die Küche als Spielwiese neu eröffnet.

Nicht nur mein Konsum hat sich verändert, auch meine Finanzen. Durch meine nahezu vegetarische Ernährung habe ich bares Geld gespart. Dazu haben sich meine Blutwerte verbessert. Wer ständig von der „Außenwelt“ damit konfrontiert wird, dass er ja durch den Verzicht an einem Mangel leiden würde, achtet aus Trotz gleich mehr darauf.

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IV. Gewohnheiten hinterfragen

Wenn sich eine Gewohnheit in unserer Gesellschaft verankert hat, heißt das nicht, dass diese nicht hinterfragt werden sollte.

Unser Fleischkonsum spiegelt die Entwicklung von einem Trend zu einer Gewohnheit wieder.
Das erkennt man daran, dass der Fleischkonsum in Deutschland 1961 noch bei 64,88 kg pro Kopf pro Jahr stand, 2007 lag er schon bei 87,88 kg pro Kopf pro Jahr.*¹

Nach dem Krieg wurde die Fleischwarenindustrie hochgefahren, um die Bevölkerung für kurze Zeit besser versorgen zu können. Die Produktion wurde, nachdem die Bevölkerung Geschmack und Freude an der hohen Verfügbarkeit bekommen hatte, jedoch nicht wieder heruntergefahren. Da der Preis für Fleisch immer weiter sank, wurde es zu einem Grundnahrungsmittel.

Das muss aber nicht so bleiben. So zeigt der Trend der letzten Jahre, dass der Fleischkonsum in Deutschland leicht abnimmt.

Wir müssen nicht an allen Gewohnheiten der Gesellschaft teilnehmen, um ein Teil von ihr zu sein.

Man kann etwas, dem man augenscheinlich abgeschworen hat auch einen besonderen Wert in seinem Leben einräumen. Bei mir mag das Fleisch sein, bei jemand anderem vielleicht Alkohol, Zigaretten oder das Glücksspiel. Das sind alles nicht nur große Posten in unseren Haushaltsbüchern …

Es sind Stellschrauben, die wir regulieren können.

V. Die Fleischrente

Hier ein kleines Beispiel, wie eine solche Stellschraube wirken kann:

Früher habe ich ungefähr ein Kilogramm Fleisch gegessen. Was würde passieren, wenn ich dieses mit einem Kilogramm Tofu ersetze und die Ersparnisse über 30 Jahre mit 6% Rendite in einem Sparplan anlege?

  • Ein Kilogramm gemischtes Hackfleisch kostet in Bioqualität 15€
  • Ein Kilogramm Tofu kostet 4,50€

Ersetzen wir Hackfleisch durch Tofu, bringt das pro Woche eine Ersparnis von 10,50€. Pro Jahr ergibt sich eine Sparrate von 546€. Wenn diese über 30 Jahre mit einer Rendite von 6% angelegt werden, ergibt sich eine Summe von 45.755,72€.

Jetzt denkst du dir bestimmt: Nicht jeder kauft sich das ganze Jahr über Bio-Fleisch. Wie sieht es mit Hackfleisch aus konventioneller Haltung aus, wenn es einmal nicht im Angebot ist?

Das kostet ungefähr 8€ pro Kilogramm. Es ergibt sich immer noch eine Differenz von 3,50€ pro Woche. Das macht eine jährliche Sparrate von 182€ pro Jahr. Wenn ich diese Summe ebenfalls mit einer Rendite von 6% für 30 Jahre anlege, stehen mir am Ende 15.251,91€ zur Verfügung.

Kombinierst du jetzt die Fleischrente mit der >Leitungs-Wasser-Rente, kann das den Ausschlag für einen finanziell entspannten Ruhestand geben.

Dabei ist es fest egal, ob am Ende 45.755,72€ oder 15.251,91€ zu Buche stehen:

Durch eine bewusste Ernährung spart man sich Arztrechnungen und kann bis ins hohe Alter aktiv bleiben. Das ist Lebensqualität.

VI. Resümee

Lohnt es sich für etwas Geld auszugeben oder Zeit zu investieren, wenn es für mich keinen Mehrwert hat? Meine Antwort: Nein.

Mehrwert kann jedoch unterschiedlich definiert werden. Genuss und Spaß sind Mehrwerte. Für mich steht Fleisch jetzt auf einer Stufe mit Alkohol und Schokolade.

Kann man etwas Verzicht nennen, wenn man es nicht vermisst?

Selbst wenn ich mehr Geld hätte, ich würde es nicht für Fleisch ausgeben. Mit meiner Ernährungsumstellung hat sich mein Verhältnis zum Essen verändert. Ich koche mehr und ernähre mich bewusster. Und ja, mittlerweile ist mir nicht nur der finanzielle Aspekt von Fleisch wichtig. Der ethische und ökologische Aspekt hat mir gezeigt, dass der übermäßige Konsum für mich keine Möglichkeit mehr ist.

Deine Finanzköchin
Luise Schmuck

Quellen

1* https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163208/umfrage/fleischkonsum-in-china-deutschland-indien-und-den-usa/ – Zugriff am 12.12.2020 um 23:19 Uhr

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