Riester-Rente: Warum wird das Offensichtliche übersehen?

Der neue Riester-Renten-Anbieter Fairr hat einen Versicherer gefunden, der die Rentenphase seiner Verträge übernimmt. Damit sind die Konditionen für die Verrentung endlich ersichtlich. Wie zu erwarten, wurden die garantierten Renten deutlich gekürzt und an das aktuelle Marktniveau angepasst. Dieser Umstand hat bei einigen meiner Makler-Kollegen für heftige Diskussionen und Unmut gesorgt.

Schon im Vorfeld war immer wieder die Frage aufgekommen: Wie fair ist Fairr?

Abseits der schönen Wortspiele wundert es mich, dass in den hitzigen Debatten der wichtigste Punkt untergeht:
Es ist völlig egal, ob der Anbieter Fairr, DWS oder Bibi Blocksberg heißt. In der aktuellen Niedrigzinsphase lohnt sich die Riester-Rente weniger denn je. Warum, erfährst du in diesem Beitrag.

Riester-Rente: Mann sucht das Offensichtliche

Geburtsfehler der Riester-Rente

Die Rentenreform 2001 war ein Meilenstein in der deutschen Sozialpolitik. Parallel zu der Absenkung des Rentenniveaus, wurde als Ausgleich unter anderem die Riester-Rente eingeführt. Das kam einem Bruch der paritätischen Rentenfinanzierung gleich. Denn die Riester-Rente zahlt der Arbeitnehmer, ausgenommen der Förderungen, selbst.

Die Riester-Rente wurde von ihren Gründervätern gleich mit mehreren Geburtsfehlern ausgestattet. Die wichtigsten sind:

  • Es erfolgt eine Anrechnung auf die Grundsicherung (seit Erstellung des Artikels hat sich hier etwas verbessert. Der Artikel wird dahingehend noch angepasst)
  • Die Beiträge müssen garantiert werden
  • Die Riester Rente wird nachgelagert besteuert
  • Das Kapital muss verrentet werden (ausgenommen Wohn-Riester)

Neben diesen spezifischen Merkmalen, gibt es noch einige Punkte, die gegen Rentenversicherungen im Allgemeinen sprechen:

  • Intransparenz
  • Kostenbelastung
  • Eingeschränkte Vererbbarkeit
  • Eingeschränkte Verfügbarkeit
  • Ineffiziente Allokation des eigenen Gesamtvermögens

Alle Punkte werde ich im Folgenden näher beleuchten. Danach gehe ich noch auf ein immer wieder hervorgebrachtes Argument der Versicherungsbranche ein:

Das Vorsorgen im Kollektiv ist die effektivste Möglichkeit, ja sogar die einzige Möglichkeit, das Langlebigkeitsrisiko abzudecken.

Jetzt heißt es anschnallen und Kaffeetasse festhalten. Los geht’s.

Anrechnung auf die Grundsicherung

Um die volle Förderung der Riester-Rente zu erreichen, müssen mindestens 4 Prozent des Bruttogehalts des Vorjahres an Beiträgen aufgebracht werden. Gerade Geringverdiener mit Kind können so bei der Riester-Rente hohe Förderquoten erreichen.

Ein Beispiel:

Eine alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern (nach dem 1.01.2008 geboren) geht Vollzeit arbeiten (wie auch immer das gehen soll). Sie verdient den Mindestlohn von 8,50 €. Was in etwa einem Bruttogehalt von 1400 € entspricht. Im Jahr sind das 16800 € Brutto. Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommt sie nicht.

Im Monat muss sie nur den Sockelbeitrag von 5 € bezahlen, um die volle Förderung zu erhalten (16800 € * 0,04 – 154 € Grundzulage – 600 € Kinderzulage = -82 €). Aus 60 € Eigenbeitrag im Jahr werden durch Zulagen 814 € Gesamtbeitrag. Da soll noch jemand sagen, die Riester-Rente lohnt sich nicht …

Und trotzdem kann es sein, dass selbst diese 5 € verschwendete Liebesmüh sind. Denn wenn unsere Mutter in Zukunft keine nennenswerten Gehaltssteigerungen bekommt, landet sie mit der gesetzlichen Rente deutlich unter Grundsicherungs-Niveau.

Um ihre Rentenansprüche zu überschlagen, möchte ich an dieser Stelle auf die Bierdeckelformel zurückgreifen (Bruttogehalt/100*Beitragsjahre).

16800 € / 100 * 40 = 6720 € im Jahr. Im Monat entspricht das einer Rente von 560 €. Zur Höhe der Grundsicherung gilt als Faustregel: Wer aktuell weniger als 773 € Einkommen hat, sollte prüfen lassen, ob Anspruch auf Grundsicherung besteht.

Zwischen gesetzlicher Rente und Grundsicherung klafft in unserem Beispiel eine Lücke über 213 €. Das Loch füllt der Staat. Doch vorher schaut er, welche weiteren Einkünfte unsere zweifache Mutter hat. Und siehe da, sie hat Einkünfte aus der Riester-Rente von 100 € im Monat. Zum Dank für ihre Mühen klopft ihr Vater Staat wohlwollend auf die Schulter und rechnet ihre Riester-Rente voll an. Mit oder ohne Riester, es stehen ihr 773 € zur Verfügung.

Die Rechnung ist stark vereinfacht. Trotzdem wird das Problem deutlich.

Gerade jene, die heute schon wenig verdienen, werden in der Rente für zusätzliche Vorsorgeaufwendungen nicht belohnt. Das muss sich dringend ändern.

Die Beitragsgarantie

Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass die Beiträge und Zulagen der Riester-Sparer garantiert sein müssen … und hat damit gleichzeitig jede Chance auf attraktive Renditen verbaut.

Üblicherweise existieren zwei Wege um Beitragsgarantien zu stellen:

  1. Ein Versicherer garantiert die Beiträge
  2. Die Garantien werden aus den Beiträgen über risikoarme Anleihen gestellt

Für den ersten Weg fällt eine Prämie an, welche die Wertentwicklung schmälert. Die Gesellschaft Friends Provident hat diesen Weg gewählt. Mittlerweile hat sie den Vertrieb in Deutschland jedoch eingestellt. Die Prämie, die sie für die Beitragsgarantie aufgerufen hat, war schlicht zu niedrig.

Der zweite Weg ist die bei weitem am meisten praktizierte Variante. Nehmen wir an, du schließt eine fondsbasierte Riester-Rente ab. Jeden Monat zahlst du 100 € ein. Die Laufzeit beträgt 30 Jahre.

Was denkst du, wie viel deines Geldes in die freie Fondsanlage fließt?

Nachgerechnet:

In den 30 Jahren zahlst du 36000 € ein. Diese Summe muss garantiert werden. Zu diesem Zweck teilt der Versicherer deinen Sparbeitrag in zwei Geldströme ein. Der eine fließt in den Garantietopf und der andere in die freie Fondsanlage.

Das Geld im Garantietopf wird in sichere Staatsanleihen investiert. Rechnen wir mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 1,5 Prozent.

Jetzt stellt sich die Frage:

Wie viel Geld muss in den mit 1,5 Prozent verzinsten Garantietopf gesteckt werden, damit nach 30 Jahren 36000 € herauskommen?

Antwort: Eine monatliche Rate von 79,27 €.

Das bedeutet im Umkehrschluss, gerade einmal 20,73 € stehen jeden Monat für die freie Fondsanlage zur Verfügung. Und in dem Beispiel haben wir die Kosten völlig vernachlässigt. Die müssen in der Realität erst einmal hereingeholt werden.

Nehmen wir für die Fondsanlage eine Verzinsung von 7 Prozent an, haben wir mit dem Garantietopf eine Gesamtrendite nach 30 Jahren von 3,24 Prozent.

Ist das gut oder schlecht? Das musst du für dich entscheiden. Die Inflation solltest du dabei jedoch im Hinterkopf haben.

Ist die Rechnung zu einfach?

Mit Sicherheit. Mittlerweile haben viele Anbieter komplizierte Modelle entwickelt, um die Investitionsquote zu erhöhen. Über den Nutzen lässt sich allerdings vortrefflich streiten. Die Entwicklung und Implementierung solcher Modelle kostet viel Geld. Zudem schichten sie aktiv um (Stichwort: DWS i-CPPI). In steigenden Märkten fließt Geld in die Aktienanlage. In fallenden Märkten geht das Geld in Anleihen. Die Folge ist zyklisches Investieren aus dem Lehrbuch, was die Rendite weiter drücken dürfte.

Egal wie kompliziert das Modell ist, am Ende braucht es immer schwankungsarme Anleihen um Garantien zu stellen. Zudem gilt auch hier: Mehr Rendite bedeutet höheres Risiko.

Egal wie die Garantie gestellt wird, das Problem ist klar:

Die Beitragsgarantie ist ein Rendite-Killer. Je kürzer die Laufzeit, umso schlimmer wirkt sie sich aus. Die Niedrigzinsphase sorgt dafür, dass fast die gesamten Sparbeiträge in den Garantietopf fließen.

Für Riester-Verträge mit einer Laufzeit kleiner 20 Jahre, würde ich bei dem aktuellen Zinsniveau von einer Rendite von 0 Prozent ausgehen. Alles darüber hinaus ist Bonus.

Heißt das, bei langen Laufzeiten macht die Riester-Rente mehr Sinn? Nein. Das Gegenteil kann der Fall sein. Je länger der Zeithorizont, umso nutzloser ist eine Garantie. Zumal wir von einer Garantie sprechen, die nicht an die Inflation gekoppelt ist.

Nachgedacht:

Was passiert, wenn Garantiezusagen nicht eingehalten werden können?

Die Versicherer werden den Bußgang antreten, zu den zuständigen Behörden gehen und Abbitte leisten. Danach erhalten die Versicherten ein Schreiben, dass die Garantien aufgrund unvorhersehbarer Ereignisse nicht eingehalten werden können. Die Leistungen werden gekürzt.

Nachgelagerte Besteuerung

Geschenkt gibt es nichts. Die Riester-Rente wird in der Auszahlungsphase mit dem persönlichen Steuersatz voll besteuert. Riestern lohnt sich also nur, wenn in der Ansparphase die Zulagen einer anständigen Wertentwicklung unterliegen und/oder der persönliche Steuersatz im Rentenalter niedriger ist, als im Erwerbsleben. Dass die Wertentwicklung eher mau ist, haben wir schon unter dem Punkt Beitragsgarantie gesehen.

Fairerweise musst du hier bedenken, dass auch die Alternativen zur Riester-Rente der Besteuerung unterliegen.

Das Kapital muss verrentet werden

Am Ende der Ansparphase können maximal 30 Prozent des Kapitals entnommen werden. Wer darüber hinaus geht, muss die Zulagen zurückzahlen (die Zinsen dürfen behalten werden). Alternativ kann das angesparte Kapital zu dem Erwerb einer eigengenutzten Immobilie verwendet werden. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Aktuell sind Rentenfaktoren um die 30 üblich. Das bedeutet für 10000 € angespartes Kapital gibt es pro Monat eine Rente in Höhe von 30 €. Oder anders ausgedrückt:

Du musst fast 28 Jahre lang durchhalten, um dein Geld zumindest herauszubekommen.

Ziemlich sportlich. Wenn du mit 67 in Rente gehst, bist du dann 95.

Nachgedacht

Frauen haben eine höhere durchschnittliche Lebenserwartung als Männer. Daher lohnen sich für sie Rentenverträge eher.

Intransparenz

Im Schneckentempo bessern die Versicherer hier nach. Doch 100-prozentigen Durchblick, was mit deinem Geld passiert, wirst du nie haben. Wenn du streng nach der Maxime

Kaufe nichts, was du nicht verstehst

handelst, dürften die meisten Rentenverträge nichts für dich sein.

Kostenbelastung

In Rentenverträgen verstecken sich die verschiedensten Kosten …

  • Verwaltungskosten
  • Kapitalanlagekosten
  • Vertriebskosten

Um nur einige zu nennen. Das Problem:

Kosten fressen die Rendite auf.

Eingeschränkte Vererbbarkeit

In der Rentenphase angelangt, gehört das Geld dem Versicherer. Im Gegenzug erhält der Versicherte eine Rente. Stirbt der Versicherte, fällt das nicht aufgezehrte Kapital an die Versichertengemeinschaft. Renten-Garantie-Zeiten können nur teilweise Abhilfe schaffen. Zwar bekommen die Erben im Todesfall noch für die vereinbarte Zeit Geld, dafür sinkt jedoch die Höhe der monatlichen Rente.

Eingeschränkte Verfügbarkeit

Rentenverträge bringen es mit sich, dass sie illiquide sind. Oft sind frühzeitige Auszahlungen mit Kosten verbunden. Wenn sie denn überhaupt möglich sind … Der vermeintliche Nachteil kann allerdings auch ein Vorteil sein. Schließlich wird verhindert, dass das Geld vorzeitigem Konsum zum Opfer fällt.

Ineffiziente Allokation des eigenen Gesamtvermögens

Dein Vermögen ist eine Einheit. Wenn du in einen Renten-Vertrag einzahlst, weißt du in der Regel nicht, wie zum Zeitpunkt X dein Kapital investiert wird. Das bedeutet, du kannst deine restlichen Anlagen nur schwer danach ausrichten. Dein Gesamtvermögen ist also nicht risiko-rendite-optimal investiert.

Dazu habe ich bereits einen themenverwandten Artikel veröffentlicht: Mentale Kontenbildung

Nachgedacht:

Wenn der Riester-Vertrag in Allokations-Betrachtungen einbezogen wird, kann es interessant werden. Die Beiträge sind garantiert. Damit kommt der Riester-Vertrag als risikoloser und dabei noch steuerlich geförderter Depotbestandteil in Frage.  Nachteil ist allerdings die Illiquidität.

Was denkst du?

Fazit

Durch das aktuelle Niedrigzinsniveau wird ein Großteil der Beiträge für die Stellung der Beitragsgarantie benötigt. Das verhagelt Riester-Sparern die Rendite.

Ob sich ein Riester-Vertrag lohnt, ist dabei immer eine Einzelfall-Entscheidung. Die zweifache Mutter aus unserem Beispiel könnte beispielsweise heiraten und/oder sich beruflich verbessern. Dann würde sich die Riester-Rente für sie doch noch lohnen. Denkbar ist auch, die Riester-Rente als risikoarmen Vermögensbestandteil in die Assetallokation einzubeziehen.

Für Anleger, die den Fokus auf Rendite legen, ist die Riester-Rente eher ein Rohrkrepierer. Denn langfristig schlägt die Rendite die Förderung.

Und was ist nun mit dem Argument:

Rentenversicherungen sind die einzige Möglichkeit das Langlebigkeitsrisiko abzusichern?

Bereits unter dem Punkt „Verrentung“ habe ich aufgezeigt, dass es bei den aktuellen Rentenfaktoren etwa 28 Jahre dauert, bis du dein Geld wieder „raus“ hast.

Wenn du vorhast älter als 95 Jahre zu werden, können Rentenversicherungen für dich interessant sein. Dabei solltest du allerdings die Inflation beachten. Nur 2 Prozent Inflation bedeuten in 28 Jahren 42,5 Prozent Kaufkraftverlust. Eine jährliche Rentensteigerung zu vereinbaren, ist ratsam. Das drückt jedoch die Höhe deiner Startrente.

Wenn du gleichbleibende Rentenzahlungen erhältst, drängt sich die Frage auf:

Können diese Rentenzahlungen überhaupt das Langlebigkeitsrisiko abdecken, wenn sie ständig an Wert verlieren?

Eine genauere Betrachtung des Langlebigkeitsrisikos findest du in meinem Artikel:

Ich lebe noch! – Ruhestandsplanung in der Republik der Greise

 

Ich freue mich auf Kommentare von dir.

Dein Finanzkoch
Christoph Geiler

Bildquelle: © Antonio Gravante – fotolia

Portrait vom Autor dieses Artikels
Über Christoph Geiler

Als Finanzberater bin ich auf die Themen Finanzplanung, Geldanlage und Altersvorsorge spezialisiert. Als Finanzkoch bin ich konzeptionell tätig und erstelle Inhalte. In meiner Freizeit schwinge ich den Kochlöffel, treibe Sport und spiele mit meinem Sohn.