In naher Zukunft wird wohl alles digital werden, was auch nur ansatzweise dafür geeignet ist. Dennoch scheint es deutschen Banken schwer zu fallen, sich mit der Digitalisierung anzufreunden. Versteh mich nicht falsch, die meisten Banken bieten ihre Geschäfte schon seit Jahren online oder mobil an, aber die aktuelle Digitalisierungswelle geht weit über die Beschleunigung einzelner Prozesse hinaus. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind kaum absehbar. Das Potential ist riesig.
Trotz der abwartenden Haltung hierzulande gibt es drei wichtige Einflüsse, die den Banken als Antrieb dienen könnten:
- Die unaufhaltsam fortschreitende Technologie,
- Die immer anspruchsvoller werdenden Kunden und
- Die Konkurrenz.
Inhaltsverzeichnis
Konkurrenzkampf an zwei Fronten
Insbesondere die zunehmende Konkurrenzsituation bringt die deutschen Banken unter Zugzwang. Dabei denke ich in erster Linie an internationale Wettbewerber, wie z.B. Goldman Sachs. Getrieben von der Regulierung vergibt der Inbegriff einer Investmentbank nun tatsächlich Verbraucherkredite, allerdings ausschließlich im Online-Angebot.
Auch an einer anderen Front geraten die Banken zunehmend unter Druck, durch sogenannte FinTechs – Start-Ups im Finanzbereich, die ausschließlich online auftreten. Sie bieten innovative Produkte und Dienstleistungen an und dringen damit in ureigene Geschäftsbereiche der Banken ein. Die Digitalisierung ermöglicht, dass bestehende Grenzen zwischen Branchen aufgebrochen werden und erlaubt somit einer größeren Anzahl an Unternehmen den Zugang zu neuen Ertragsquellen.
FinTechs haben typischerweise keine Banklizenz und sind dennoch eine reale Bedrohung für Banken im Kampf um Marktanteile. Einige der bekanntesten FinTechs sind:
- wikifolio (Vermögensverwaltung),
- auxmoney (Kreditvermittlung),
- sofortüberweisung (Zahlungsdienstleistungen)
Die Vorteile von Online-Anbietern sind vielseitig. Sie können Finanzdienstleistungen für den Kunden leichter zugänglich machen, günstiger anbieten und flexibler gestalten als über ein klassisches Filialnetz. Beim Finanzberater liegt die notwendige Mindestsumme für Finanzanlagen oft bei 50 000 €, insbesondere aufgrund des gestiegenen Aufwands durch neue Vorschriften für Beratung und Dokumentation. Die FinTechs dagegen sind fast unreguliert und können den teuren Finanzberater durch Algorithmen ersetzen, die zudem frei vom schlechten Image der Finanzkrise sind.
Unbestreitbar ist der momentane Rückstand in Deutschland – Vorreiter sind mal wieder die USA. Der offensichtlichste Grund ist fehlendes Venture Kapital, obwohl die Start-Up-Szene in Berlin derzeit einen Aufschwung erlebt. Ein häufiges Problem im Internet ist jedoch, dass die größten Anbieter alle anderen aus dem Markt verdrängen – und die befinden sich bislang näher an der Golden Gate Bridge als am Brandenburger Tor.
Bedrohung oder Chance
Unabhängig vom Herkunftsland fordern die IT-affinen FinTechs die deutsche Bankenlandschaft in vielen Bereichen heraus. Es wird also zwangsläufig viel über Digitalisierung geredet, aber in der Praxis passiert noch zu wenig. Das Potential der Digitalisierung wird unterschätzt. Dabei bietet es den Banken die Aussicht, sowohl ihre Kosten zu senken, als auch ihre Einnahmen zu erhöhen – die Profitabilität, eine der größten Schwächen des deutschen Bankensektors, könnte signifikant gesteigert werden.
Andererseits sollten Banken nicht versuchen, auf jeden neuen Trend zu setzen. Die digitale Welt ändert sich ständig – plötzliche Trendwechsel sind keine Seltenheit. Banken neigen daher zur Passivität und sind kaum innovativ. Eine Alternative wäre es, auf den Ideen der FinTechs aufzusetzen. Im Gegenzug könnten diese vom Know-how und dem größeren Kundenstamm der Banken profitieren.
Start-Ups müssen sich erst jahrelang als profitables Unternehmen beweisen – im Internet ist der nächste Anbieter oft nur einen Mausklick entfernt. Eine Zusammenarbeit liegt also auf der Hand und scheint für beide Seiten mehr als sinnvoll zu sein.
Banken müssen FinTechs nicht als Bedrohung sehen. Viel mehr können sie die neue Konkurrenz als Chance begreifen und Kooperationen anstreben.
Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Deutsche Bank bereits unternommen. Vor ein paar Wochen war im Handelsblatt zu lesen, dass der deutsche Branchenprimus Ende dieses Jahres drei sogenannte Innovations-Labore eröffnen wird. Darin sollen 500 FinTechs pro Jahr bewertet werden, um mögliche Kooperationspartner zu ermitteln.
Ein weiteres Beispiel ist der Web-Bezahldienst „PayDirekt“ – ein Projekt mehrerer deutscher Banken, das ebenfalls noch vor 2016 als Alternative zu PayPal eingeführt werden soll. Die Banken hoffen dabei auf den Vertrauensvorschuss der Kunden, weil Zahlungen direkt über die Hausbank abgewickelt werden und nicht über Dritte. Ob „PayDirekt“ den Marktführer herausfordern kann, bleibt abzuwarten. PayPal ist mittlerweile ein etabliertes Unternehmen, besitzt eine Banklizenz und hat allein in Deutschland 16 Mio. Kunden. Es wurde vor einigen Tagen von ebay abgespalten und wird nun separat an der Börse gelistet. Die Begründung, die in den Medien zu lesen war: PayPal wird ein viel schnelleres Wachstum zugetraut als dem altbackenen Online-Warenhandel – das sagt einiges.
Fazit
Die Digitalisierung ist eine große Herausforderung – die deutschen Banken haben gegenüber der internationalen Konkurrenz und den aufstrebenden FinTechs noch einiges aufzuholen. Klar ist, dass die Banken nicht auf jeden neuen Zug aufspringen können und auch nicht sollten – es besteht jedoch kein Zweifel, dass „Abwarten“ angesichts des Potentials der Digitalisierung die falsche Entscheidung ist.
FinTechs könnten dabei von der Bedrohung zur Chance werden. Die beiderseitigen Vorteile einer Kooperation liegen auf der Hand. Unabhängig von der zukünftigen Entwicklung in den nächsten Jahren gibt es die berechtigte Hoffnung, dass sich letzten Endes die Kunden als größte Profiteure der Digitalisierung herausstellen.
Dein Gastautor
Amadeus Wissing
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